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Entscheide dich, sagt die Liebe

Entscheide dich, sagt die Liebe

Titel: Entscheide dich, sagt die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siri Goldberg
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fühlten sich an, als hätten sie sich verflüssigt. Er wollte sich dagegen wehren und trotzdem aufstehen.
    In diesem Moment kam die Mail.
    Clara öffnete die Nachricht und las sie laut vor: »Schlomo Rosenblatt, geboren 1885 in Wien, Violinvirtuose und -pädagoge. Im Januar 1945 mit seiner Frau Esther ins KZ Theresienstadt verschleppt. Esther starb dort an Typhus, Schlomo wurde im Mai 1945 aus Theresienstadt befreit. 1946 wanderte er nach Vancouver/Kanada aus. 1947 zweite Ehe mit Lyn Darnell, 1948 Sohn Michael geboren. 1980 starb Schlomo Rosenblatt mit fünfundneunzig Jahren.« Sie knetete ihre Hände. »Ob dieser Michael Rosenblatt etwas über den Klimt weiß? Oder über die Violinschüler seines Vaters?«
    »Hoffen wir, dass er noch in Vancouver lebt, sonst können wir ewig nach ihm suchen.«
    Clara rief im Internet die White Pages auf. Sie fand drei Einträge mit dem Namen Rosenblatt. Ein Michael war nicht dabei.
    A. Rosenblatt stand an oberster Stelle. Nachdem sie einmal tief durchgeatmet hatte, wählte sie die Nummer. Sie stellte sich vor und erkundigte sich auf Englisch nach Schlomo oder seinem Sohn Michael Rosenblatt. Die Antwort fiel sehr kurz und – Claras erschrockenem Gesichtsausdruck zufolge – unfreundlich aus.
    »Willst du es noch bei den anderen beiden probieren, oder lieber auf morgen verschieben?«, fragte Daniele.
    »Den zweiten Eintrag können wir uns sparen. Die Adresse von Carmen ist identisch mit der von A. Rosenblatt. Die Festnetznummer auch. Da rufe ich bestimmt nicht nochmals an. Bleibt noch Jim. Was meinst du? Soll ich es versuchen?«
    »Du könntest ihm auch eine Mail schicken, wenn du dich dabei wohler fühlst«, schlug Daniele vor und deutete auf die Mailadresse.
    Dankbar lächelte Clara ihn an. Gemeinsam formulierten sie den Text. Clara tippte und versandte die Nachricht. Ihre Aufregung übertrug sich auf Daniele. Er konnte jetzt nicht nach Hause fahren und sie im Stich lassen. Stattdessen durchsuchte er die Küche nach Tee und fand eine Mischung aus Fenchel, Zitronenmelisse und Brombeerblättern, die eine beruhigende Wirkung haben sollte.
    Er ließ den Aufguss fünf Minuten ziehen und süßte das Gebräu mit Honig. Sie tranken bedächtig, Schluck für Schluck und schwiegen. Daniele vermied es, Clara anzusehen, und konnte doch nicht verhindern, dass sein Blick sie wie von selbst immer wieder streifte.
    Ein »Pling« erlöste die Wartenden. Eine Mail war eingegangen. Sie kam von [email protected] und der Betreff lautete »Dear Clara Prachensky«.
    Bevor sie die Mail öffnete, griff Daniele nach ihrer Hand, die eiskalt war. Er drückte sie.
    Es stellte sich schnell heraus, dass Jim Schlomos Enkel war. Sein Vater Michael lebte nicht mehr. Jim schrieb, dass er momentan in Eile sei. Aber er bot an, Claras Fragen am nächsten Tag ausführlich zu beantworten, am besten per Skype.
    »Ich fühle mich Ihnen und Ihrer Familie zutiefst verpflichtet«, las Clara mit zitternder Stimme. »Denn bevor mein Großvater und seine erste Frau ins KZ eingeliefert wurden, hat eine selbstlose und mutige Wiener Familie sie fünf Jahre lang versteckt. Diese Familie hieß Prachensky.«
    »Fantastisch!«, sagte Daniele. »Jetzt wendet sich doch noch alles zum Guten.« Am liebsten hätte er sie gepackt und herumgewirbelt.
    Sie sah ihn mit Augen an, die rund waren wie Glasmurmeln.
    »Ich glaube, ich weiß, wie es gewesen sein könnte.« Er war unsagbar froh darüber, dass sich seine Befürchtungen nun also doch nicht bestätigten. Gleichzeitig schämte er sich für sein Misstrauen. »Wenn die Eltern deines Vaters die Rosenblatts vor den Nazis versteckt haben, hat Schlomo ihnen zum Dank womöglich ein paar seiner wertvollen Gemälde geschenkt.«
    »Dann hätte Paps Dillinger gegenüber doch die Wahrheit gesagt«, schlussfolgerte Clara. »Und die Gemälde, mit denen er sein Studium finanziert hat, gehörten seinen Eltern, und er konnte sie aus dem bombardierten Haus retten.« Jetzt gingen die lagunengrünen Glasmurmelaugen über. Tränen liefen über Claras Wangen. Als Daniele ihr ein Taschentuch reichte, ließ sie es fallen und warf sich in seine Arme.
    Er hielt sie fest. Sein Herz hämmerte so wild gegen den Brustkorb, als wollte es ihn sprengen. Und obwohl er wusste, dass es keine Zukunft hatte, genoss er das aberwitzige Glücksgefühl, das sich für Augenblicke in ihm breitmachte – ehe sie sich aus seinen Armen löste und eine Entschuldigung murmelte.

 
    M it der Erleichterung, die sie beim zweiten Lesen

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