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Entscheide dich, sagt die Liebe

Entscheide dich, sagt die Liebe

Titel: Entscheide dich, sagt die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siri Goldberg
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hätte er Schlomo verraten und seinen eigenen Vater angezeigt.«
    »Was ist mit seinem Vater passiert?«
    »Um seine Frau und die Angestellten zu schützen, hat Georg Prachensky die ganze Schuld auf sich genommen. Die anderen wurden entlassen, aber ihn hat man gefoltert. Anstatt klein beizugeben, hat er seine Peiniger verhöhnt. Er ist im Gefängnis gestorben, noch bevor Schlomo und Esther ins KZ abtransportiert wurden.«
    Clara fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Sie biss sich auf die Lippen. Ihr Großvater war also nicht durch eine Bombe der Alliierten getötet worden. SS-Schergen hatten seinen Tod verursacht und … ein hinterhältiger Verräter. »Und Leo hatte wirklich nichts damit zu tun? Warum war Schlomo sich so sicher?«
    »Weil Leo ein lieber Junge war. Und noch ein halbes Kind. Nein, nein«, beschwichtigte Jim. »Das war nichts weiter als eine gemeine Lüge der Nazis und gehörte zu ihrer Zermürbungstaktik.«
    »Aber wer war es dann? Es muss doch Aufzeichnungen darüber geben? Verhörprotokolle?«, fragte Clara verzweifelt.
    »Als Opa in Kanada war, hat er versucht, die Sache aufzuklären. Er hat sich bei den zuständigen österreichischen Behörden erkundigt. Ohne Erfolg, anscheinend sind die betreffenden Unterlagen verschollen. Später hat er sich damit abgefunden, dass er nie wissen würde, wer ihn verraten hat und damit schuld am Tod seiner ersten Frau und Georg Prachenskys war. Genauso wie er sich damit abgefunden hat, nie zu erfahren, wo seine Guarneri-Geige abgeblieben ist oder seine wertvolle Kunstsammlung.«
    Clara erstarrte. »Die Kunstsammlung! Was ist damit passiert?«
    Jim kratzte sich am Kopf. »Wenn ich das wüsste! Vermutlich haben die Nazis sie eingesackt. Achtzehn Ölgemälde waren es. Versteckt in einem zugemauerten Lagerraum im Keller der Tischlerei Prachensky. Es waren Bilder von Hans Makart, Egon Schiele, Gustav Klimt und von zwei oder drei nicht ganz so bekannten Malern. Sie wären heute ein Vermögen wert.«
    Der Klimt! Clara schluckte. Kalter Schweiß stand ihr auf der Stirn. »Wäre … vielleicht …«, stotterte sie. »Ich meine, könnte es sein, dass Schlomo ein oder zwei Bilder den Prachenskys geschenkt hat? Weil sie ihn versteckt haben?«
    »Mein Großvater war den Prachenskys natürlich sehr dankbar. Und weil er ein äußerst wohlhabender Mann war, hat er ihnen für ihre Hilfe Geld gegeben. Viel Geld. Mit den Bildern hätten sie nichts anfangen können. Sie hätten sie weit unter ihrem Wert verkaufen müssen und wären immer in Gefahr gewesen, aufzufliegen.«
    Clara fröstelte plötzlich, obwohl ihr Herz raste. Was Jim noch erzählte, hörte sie wie durch Watte. Dass die Prachenskys Schlomos Helden gewesen seien; der Grund, warum er den Glauben an die Menschheit nie ganz verloren habe, auch in Theresienstadt nicht, und warum er nach dem Krieg die Energie aufgebracht habe, nach Kanada zu gehen und dort neu anzufangen.
    Sie hörte nicht mehr zu. Die Wahrheit, die Schlomo und sein Enkel nicht sehen konnten oder wollten, stand unverrückbar vor ihren Augen. Alle Puzzleteile passten zusammen. Das Geheimnis, das sich um die Vergangenheit ihres Vaters gerankt hatte, war gelöst.
    Leo Prachensky, der geniale Dirigent, ihr geliebter Paps, war ein gemeiner Verräter und Mörder. Er hatte das Versteck seines Geigenlehrers verraten, hatte damit zwei Menschen in den Tod getrieben, darunter seinen eigenen Vater. Und warum? Nur um an die wertvolle Gemäldesammlung zu kommen und sich damit das Musikstudium zu finanzieren.
    Clara starrte auf den Bildschirm, ohne Jim zu sehen. Seine Frage, ob mit ihr alles in Ordnung sei, bekam sie nicht mehr mit. Übelkeit überrollte sie. Sie sprang so abrupt auf, dass der Biedermeierstuhl polternd umfiel. Sie stürzte hinaus, schaffte es aber nicht mehr bis ins Bad, sondern erbrach sich auf den kostbaren chinesischen Läufer in der Diele.

 
    A ls Paolo die Eingangstür aufdrückte, wunderte er sich über die Stille. Keine Klavierklänge und kein Klappern von Geschirr hießen ihn willkommen. Als hätte der Palazzo sich in ein lauerndes Tier verwandelt, das im Dunkeln hockte und den Atem anhielt. Ihm fiel ein, dass er den Angestellten freigegeben hatte. Aber wo war Clara?
    »Bellissima!«, rief er so laut, dass der Bronzegong, der im Mezzanin an der Wand hing, mitzusummen begann.
    Sonst rührte sich nichts. Dabei brannte er darauf, ihr die Einladungskarten für das Verlobungsfest zu zeigen, die er soeben in der Druckerei abgeholt hatte. Sie sahen

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