Entscheide dich, sagt die Liebe
willst, können wir gleich damit anfangen.«
Sie setzte sich wieder hin. Natürlich wollte sie. »Prima. Ich hätte zum Beispiel gern gewusst, wie man am besten vorgeht, um den Titel eines Bildes herauszufinden. Wenn es überhaupt einen Titel hat.« Sie versuchte, knapp an seinen Augen vorbeizuschauen, die ihren Blick aus unerfindlichen Gründen magisch anzogen.
»Das kann ich dir sagen. Das Bild heißt Attersee mit Mohnblumen, und es ist 1901 entstanden.«
»Was?« Hatte sie sich verhört?
Daniele errötete leicht. »Ich gebe zu, dass ich mich schon schlau gemacht habe. Schließlich hat man nicht jeden Tag einen Klimt auf dem Ateliertisch liegen.«
Ihre Fingerspitzen begannen zu kribbeln und ein Eigenleben zu entwickeln, als hätten sie Tasten unter sich. Dabei trommelten sie bloß auf das Holz der Bank. »Weißt du noch mehr?«
»Im Jahr 1910 war das Gemälde in Venedig ausgestellt, bei der Biennale. Klimt hat damals ziemliches Aufsehen mit seinen Bildern erregt.«
Zischend sog Clara Luft durch ihre zusammengebissenen Zähne. »Wie hast du das herausgefunden?«
»Ich habe eine Liste der damaligen Exponate entdeckt einschließlich einer genauen Beschreibung der Bilder.«
Clara schluckte. »Dann weißt du vielleicht auch, wem das Gemälde vorher gehört hat? Bevor es im Wandtresor meines Vaters gelandet ist?«
»Es gehörte einem gewissen S. Rosenblatt, der es zusammen mit zwei weiteren Landschaftsbildern für die Biennale zur Verfügung gestellt hat. Seit 1945 gelten die drei Bilder als verschollen.«
Clara erhob sich wie in Zeitlupe. »Rosenblatt?«, hauchte sie.
»Sagt dir der Name etwas?« Seine Stimme drang wie durch Watte zu ihr. Vor ihren Augen flimmerten schwarze Punkte, und es wurden immer mehr.
»Schlomo Rosenblatt«, murmelte sie. Dann wurde ihr schwindlig. Sie sah das abstehende Hautfetzchen auf Danieles Oberlippe näher kommen, sah die Kaffeeaugen immer größer werden und sich drehen. Sie taumelte, spürte, wie jemand nach ihr griff und sie festhielt. Sie auf die Bank drückte. Als sie wieder klar sehen konnte, nahm sie ein Mädchen wahr. Die Kleine hatte das Gesicht einer Spitzmaus, langes dunkles Haar und Danieles Augen.
»Du sollst essen kommen. Die Pasta wird kalt und Mama hat …«, sagte sie zu Daniele, während sie Clara anstarrte.
»Schnell, Giulia, hol ein Glas Wasser!«
Das Mädchen verschwand. Daniele hielt noch immer Claras Hände fest und knetete ihre kalten Finger. »Wer war dieser Herr Rosenblatt?«, fragte er sanft.
»Der Geigenlehrer meines Vaters.« Obwohl sie beinahe flüsterte, hallte ihre Stimme unangenehm in ihren Ohren. Durch Danieles Massage prickelten ihre Fingerspitzen, als wären sie aus Eiseskälte zu schnell ins Warme gelangt. Jetzt begannen sie auch noch zu pulsieren und jagten kleine Schockwellen durch Claras Körper.
Sie entzog ihm ihre Hände und griff dankbar nach dem Glas, das Giulia ihr reichte. Das Wasser schmeckte frisch. Der Schwindel legte sich, und das Prickeln reduzierte sich auf ein sanftes Kribbeln, das allmählich abebbte.
Kurz darauf saß Clara am Esstisch der Familie Rossi und musste unter den besorgten Blicken von Danieles Mutter und den neugierigen seiner beiden jüngeren Geschwister einen Berg Spaghetti essen, dessen Größe allein ihr schon Angst einjagte. Aber der Tomatensugo mit den Kräutern und der würzige Parmesan dufteten so einladend, dass der Berg wie von selbst kleiner wurde.
»Tut mir leid, dass es heute nur so etwas Einfaches gibt«, sagte Frau Rossi.
»Ich glaube, so gut habe ich noch nie gegessen«, antwortete Clara und hielt sich den vollen Bauch. Die erlesenen Speisen, die Giovanna in der Ca’ Minotti auftischte, schmeckten natürlich auch hervorragend. Und dennoch nicht halb so gut. Als wären sie nicht mit derselben Liebe zubereitet worden. Nicht einmal Amelies Tafelspitz konnte gegen Signora Rossis Pasta bestehen.
Danieles Mutter hob drohend den Kochlöffel. »Übertreiben Sie nicht so, Clara, sonst bekommen Sie einen Nachschlag.« Sie lachte, und Clara ließ sich anstecken. Das Klima in diesem Haus war heilsam.
»Wann kommt Papa zurück?«, fragte Daniele.
»Bald. Er hat vorhin angerufen. Stell dir vor, der Arzt verschreibt ihm ein neues Medikament. Ein Pflaster, das man auf die Haut klebt und das besser wirken soll als die vielen Tabletten, die er bisher schlucken musste.« Signora Rossi knetete ihre Hände, und Clara entging nicht, dass ihre Augen feucht schimmerten.
»Das wäre fantastisch!«
Sie sah
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