Entscheidung auf Mallorca
redlich, dafür zu sorgen, daß »Wastl« nicht schon nach wenigen Kilometern sein letztes Schnauferl tun würde.
Auch Wulf fand keine freie Minute mehr. Er hatte es übernommen, die in den Pässen erforderlichen Sichtvermerke sowie das für den Wagen benötigte »Carnet de passage« und für Harald den Internationalen Führerschein zu besorgen. Die täglichen Vorlesungen konnte und wollte er nicht versäumen. Darüber hinaus hatte er einen unerfreulichen Disput mit seinem Vater, der von dem geplanten Unternehmen nichts wissen wollte. Doch das ging nicht nur ihm so. Auch Miriam, Peggy und Harald hatten in dieser Hinsicht mehr oder weniger schwere Kämpfe durchzustehen. Sie alle aber erhielten zu guter Letzt ihre Genehmigung.
Die Nacht zum 15. Juli, an dem die Fahrt angetreten werden sollte, wurde zu einer einzigen Qual. Keiner der unternehmungslustigen Spanienfahrer konnte schlafen. Jeder wälzte sich unruhig herum und stand schon eine Stunde früher auf, als er den Wecker gestellt hatte.
Es war ein herrlicher Tag. Am Himmel segelten nur vereinzelte Wolken, und die Straßen Münchens machten einen unberührten Eindruck, als Harald mit dem zwar alten und farblos gewordenen, immer aber noch einwandfrei laufenden VW kurz vor vier Uhr in die Georgenstraße einbog, um zunächst Peggy, dann Wulf und schließlich Miriam abzuholen.
Sie alle standen bereits vor ihren Wohnungen und waren in einer so ausgelassenen Stimmung, daß es Harald kaum gelang, sie zu bewegen, ihm beim Festbinden der Koffer auf dem Gepäckhalter behilflich zu sein. Als letztes wurden die vier Kameras, die Peggy besorgt hatte, sorgsam verstaut. Und dann ging es los. Miriam und Peggy saßen hinten.
»Gute Reise!« wünschte Wulf, als Harald anfuhr. Dabei drehte er sich zurück und reichte Miriam ein kleines Päckchen.
»Was ist das?«
»Nachschauen«, sagte er und wandte sich an Peggy, der er ebenfalls etwas in die Hand drückte.
»Für mich?« fragte sie verwundert.
Er nickte. »Wir haben eine lange Fahrt vor uns. Möge euch die kleine Morgengabe das Sitzen erleichtern.«
»Ein Fläschchen Parfüm!« rief Miriam begeistert. »Noch dazu meine Lieblingsmarke: Shocking!«
»Für mich hat er ›Nina Ricci‹ besorgt«, jubelte Peggy und umarmte Wulf.
»Ein Unterschied muß sein«, sagte er. »Herb und süß – jedem das Seine.«
»Jedem?« fragte Harald und hielt die Hand auf.
»Jedem!« wiederholte Wulf und reichte ihm eine Dose Tabak. »Golden Mixture! Süßlicher Duft. Damit uns deine Pfeife nicht allzusehr stört. Capito?«
Harald kurbelte sein Fenster herunter.
»Luft, Clavigo! Ein Wahnsinniger weilet unter uns. Schlimmer noch: ein Großverdiener, ein Wirtschaftswunderer!«
Miriam beugte sich vor und gab Wulf einen Kuß. »Mußt du denn immer ein Verschwender sein? Wo hast du überhaupt das Geld her?«
»Vom Alten Herrn. Er hat mir in letzter Minute noch zweihundert Mark geschickt. Da dachte ich: Vielleicht heben ein paar kleine Dinge die Stimmung.«
»Typisch Wulf«, sagte Harald. »Wenn er nur …«
»Von ihm könntest du dir eine Scheibe abschneiden«, unterbrach ihn Peggy. »Er ist ein Kavalier, ein …«
»Graf!« fiel Harald ein und blinzelte Wulf zu. »Vom Scheitel bis zur Sohle. Rührend, wie er für uns sorgt. Wirklich rührend!«
Peggy stieß ihm in den Rücken. »Laß deine zynischen Faxen. Ich finde Wulfs Geste großartig und werde dieser Minute noch oftmals gedenken. Was sagst du, Miriam? Für jeden hat er eine Überraschung, nur sich selbst hat er vergessen.«
»Stimmt nicht«, entgegnete Wulf. »Ich erfüll’ mir sogar einen ganz speziellen Wunsch.«
»Und der ist?«
»An allen Übernachtungsplätzen, also heute irgendwo am Gardasee, morgen in der Nähe von Cannes und übermorgen in Montpellier, Beziers oder Narbonne, lade ich euch zum Abendessen ein.«
Harald stöhnte. »Jetzt müßte man einen Plattenspieler haben und einen flotten Beethoven auflegen können. Natürlich gleich ›in medias res‹: Seid umschlungen, Millionen … Brüder, überm Sternenzelt muß ein lieber Vater wohnen.«
Wohl selten wurde auf einer Fahrt über die Alpen, durch Italien und Frankreich so viel geblödelt, gelacht, geredet und gestaunt wie in dem kleinen alten VW, der Tag für Tag weiter nach Süden rollte. Er schnurrte, als befände sich kein Motor, sondern eine mit Maikäfern gefüllte Tüte hinter den Sitzen, und Harald behauptete, er höre deutlich, daß sich der Wagen bedanke, wenn sie ihn des Abends liebevoll
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