Entscheidung auf Mallorca
soll sagen: Nichts Genaues weiß man nicht!«
»Du meinst, er wüßte nicht, wann der Zug fährt?«
»Gibt’s eine andere Deutung?«
»Ich werd’ wahnsinnig.«
»Aber, bitte, in aller Ruhe.«
Nach gut einer halben Stunde war auch Miriam davon überzeugt, daß Harald richtig kombiniert hatte. Denn mit der Zeit füllte sich der Bahnsteig, und es wurde offensichtlich, daß die Spanier grundsätzlich mit einer unpünktlichen Ankunft des Zuges rechneten.
Wulf war begeistert. »Nicht der Fahrplan, sondern das Temperament entscheidet darüber, wann man zum Bahnhof geht«, sagte er.
Harald wiegte den Kopf. »Mir scheint es mehr eine Frage des Charakters zu sein – Unwissende ausgenommen. Die sind pünktlich. Nach ihnen kommen die Übervorsichtigen, dann die Vorsichtigen, schließlich die Leichtsinnigen und zu guter Letzt so Typen wie du.«
Wulf wollte ihm schon recht geben, als er stutzte und empört fragte: »Hast du gesagt, wie ich? «
»Na ja. Zählst du etwa nicht zu den Überleichtsinnigen?«
Die Blödelei war wieder in vollem Gange. Und sie hielt an, bis sich die vier gegen Mitternacht auf dem Deck des nach Mallorca fahrenden Dampfers todmüde in ihren Liegestühlen ausstreckten.
Wulf wickelte Miriam in eine Wolldecke und wies über das Meer, das im Licht des hochstehenden Mondes silbern glänzte. »Ist das nicht herrlich?«
»Unbeschreiblich«, erwiderte sie. »Schade, daß man es nicht malen kann. Es würde eine Künstler-Kitschpostkarte werden.«
Er nickte. »Verstehst du jetzt, daß ich auch damals …?«
Sie legte ihren Zeigefinger auf den Mund. »Pst!«
Er verzichtete darauf, seinen Satz zu beenden. Wozu, sagte er sich. Ich verderbe die Stimmung, wenn ich jetzt darauf aufmerksam mache, daß wir, fast ohne Geldmittel, im gleichen Speisesaal saßen, in dem ich damals gesessen habe.
4
Miriam, Peggy und Harald wußten nicht, wohin sie schauen sollten, als das Schiff am nächsten Morgen in den Hafen von Palma einlief. Und Wulf genoß es, ihnen dieses und jenes zeigen und erklären zu können.
»Da drüben, das ist die Kathedrale. Und dort«, er wies zu einem Berg hinüber, »das ist das Castillo de Bellver. Und jetzt könnt ihr schon das ›Impledo‹ sehen. Dahinten, das helle Hotel mit der Terrasse am Wasser.«
Sie gerieten in eine ausgelassene Stimmung, die auch der Strom sich drückender und stoßender Urlauber nicht dämpfen konnte, in dem sie durch die Zollabfertigung wanderten. Allen voran Wulf, der nicht schnell genug vorwärts kommen konnte, da er schon vom Schiff aus den alten amerikanischen Wagen des Hotels »Impledo« entdeckt hatte und befürchtete, andere Gäste könnten ihm zuvorkommen. Keine unnötige Minute sollte mehr verstreichen. Er brannte darauf, zu erfahren, wie der Portier die Möglichkeit des Verkaufs der Fotoapparate beurteilte.
Der Fahrer des Hotelwagens strahlte, als Wulf auf ihn zuging. »Buenos dias, Señor«, begrüßte er ihn überschwenglich. »Cómo está Usted?«
»Muy bien«, erwiderte Wulf voller Stolz und klopfte ihm leutselig auf die Schulter. »Y Usted?«
Der Fahrer übernahm den Koffer und ließ die freie Hand kreisen. »Mucho calor – viel heiß!«
Harald wandte sich an Miriam und Peggy. »Habt ihr’s gehört? Unser Graf spricht perfekt auswärts.«
Wulf drehte sich voller Stolz um. »Kleine Fische. Aber jetzt her mit dem Gepäck. Und dann ab dafür.«
Als der Wagen vor dem Hotel hielt, stürzte ihnen der rundliche Portier entgegen. Seine kugeligen Augen glänzten. »Ich mich sehr freue, Sie wieder zu begrüßen«, sagte er und klopfte Wulf auf die Schulter. Dabei warf er Miriam und Peggy einen bedeutungsvollen Blick zu. »Señor Wesener ist ein gut amigo mio.«
So hab’ ich ihn mir vorgestellt, dachte Miriam.
Harald stieß sie an und flüsterte: »Ganz schön schon, wie?«
Sie nickte.
Der Portier dämpfte seine Stimme. »Señor Wesener und ich hab gemacht gute Geschäfte. Und wir wieder werden machen ein gut Geschäft.«
Gott sei Dank, dachte Wulf erleichtert. Die Sache klappt.
»Alles ist vorbereitet«, wandte sich der Portier an ihn. »Heute mittag wird kommen Alfonso. Ich sofort mit ihm gesprochen, als ich erhielt Ihren Brief. Alfonso sagt …«
»Ich glaube, das Telefon hat geklingelt«, unterbrach ihn Harald.
Der Spanier sah ihn groß an. »Das Telefon?«
»Vielleicht war’s auch die Hauskatze.«
Die Augen des Spaniers weiteten sich. »Oh, pardon«, sagte er und wandte sich um. »Ich versteh’. Darf ich
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