Entscheidung aus Liebe
Selbstbewusstsein schwand auf der Stelle, sobald sie die Türschwelle zum großen Salon überschritten hatte.
Auf der anderen Seite des Raumes stand Lady Helena, die in ihrem cremefarbenen Kleid und mit ihrem perfekt frisierten Haar wie der Inbegriff eleganter Schönheit aussah. Sie sprach gerade in vertrauter Weise mit Jareth, so dass Chloe einen Blick auf ihr aristokratisches Profil mit der kerzengeraden Nase werfen konnte. Sie ist vollkommen, dachte Chloe.
„Ah, da sind Sie ja!" rief die Duchess mit einem gespielten Lächeln. Ihre Augen wanderten missbilligend über Chloes Erscheinung.
„Guten Abend, Grand-mere", sagte Rebeccah artig, während sie einen kleinen Knicks vor der älteren Frau machte. Sarah tat es ihrer Schwester gleich.
„Oh, Charlotte, diese Kinder sind einfach entzückend", schnurrte Lady Rathford. Danach musterte sie Chloe hochmütig. „Und wen haben wir hier?"
Chloe hörte, wie sie von der Duchess vorgestellt wurde, doch ihre Augen ruhten auf Jareth, der mit Lady Helena und einem anderen Mann in der Ecke stand. Als er sie entdeckte, hielt er mitten im Gespräch inne und ließ seinen Blick über sie wandern. Chloe hatte den Eindruck, sich setzen zu müssen. Ihre Knie schienen sie auf einmal nicht mehr tragen zu wollen.
„Chloe!" sagte die Duchess tadelnd.
„Ja." Chloe zuckte leicht zusammen und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder den beiden älteren Frauen zu, die sie fragend anstarrten. Sie begriff, dass sie soeben Lady Rathford vorgestellt worden war. Ohne auf ihr Benehmen zu achten, streckte sie die Hand aus, so wie es ein Mann getan hätte. „Es freut mich, Sie kennen zu lernen."
Schockiert sah Lady Rathford auf Chloes ausgestreckte Hand hinab. Man könnte meinen, sie hätte noch niemals eine Hand gesehen, dachte Chloe amüsiert, bis ihr bewusst wurde, was sie getan hatte. Schnell zog sie ihre Hand zurück.
„Sie müssen Miss Chloe entschuldigen, Lady Rathford", mischte sich eine männliche Stimme ein. Es war Jareth, der hinter sie getreten war und seinen Nichten ein strahlendes Lächeln zuwarf. Sarah winkte ihm mit sichtlicher Freude zu. Rebeccahs Begrüßung fiel dagegen schüchterner aus.
Während er sich wieder den Erwachsenen zuwandte, erklärte er: „Miss Chloe stammt aus dem Loiretal in Frankreich. Sie haben vielleicht schon davon gehört. Der Schriftsteller Balzac liebte diese Gegend über alles."
Chloe bemerkte, dass seine Äußerung Lady Rathford beeindruckte.
„Die Traditionen und gesellschaftlichen Umgangsformen aus Miss Chloes Heimat
mögen uns Engländern ungewohnt erscheinen, aber wir in Strathmere haben nicht nur gelernt, sie zu akzeptieren, sondern lieben auch ihren ausgefallenen Charme." Mit einem unwiderstehlichen Lächeln wandte er sich Chloe zu und reichte ihr die Hand. Die fassungslose Chloe ergriff sie wie eine Marionette und ließ sich von ihm die Hand schütteln. Dabei konnte sie den Blick einfach nicht von seinen wunderschönen braunen Augen abwenden.
Eine wohlklingende Stimme unterbrach den Zauberbann. „Hallo." Es war Helena. Chloe entzog Jareth schnell ihre Hand. Hatte sie sich den leichten Druck seiner Finger nur eingebildet, als ob es ihm widerstrebte, sie loszulassen?
Helena warf Jareth einen neugierigen Blick zu. Dann streckte sie ebenfalls höflich die Hand aus. Als Chloe sie zögernd ergriff, sagte Helena: „Wir sind uns schon einmal begegnet, nicht wahr?"
Angesichts ihres reizenden Lächelns verlor Chloe allen Mut. Diese Frau war so unglaublich schön und gebildet. Neben ihr fühlte sich Chloe wie eine unscheinbare, hässliche Krähe.
„Ich erinnere mich. Ich freue mich, Sie wieder zu sehen, Lady Helena."
„Angenehm", erwiderte Helena, wobei sich ihr Lächeln vertiefte. Sie begrüßte auch die Kinder. „Und an diese beiden kleinen Damen kann ich mich auch noch sehr gut erinnern."
Rebeccah knickste wieder wohlerzogen und stieß Sarah mit dem Ellbogen in die Seite, als diese ihrem Beispiel nicht folgen wollte.
„Dürfte ich sie Vater vorstellen?" schlug Helena Jareth vor. „Er liebt Kinder."
„Ja, natürlich", antwortete Jareth, dessen Blick wieder zu Chloe wanderte. Als Helena mit den Kindern zur anderen Seite des Raumes gegangen war, sprach er leise mit ihr. „Sie sehen heute sehr ... verändert aus, Miss Chloe."
Das Kompliment ließ sie erröten. „Ich dachte, wir würden uns beim Vornamen nennen, so wie alte Freunde. Sie wissen doch, ich bin die unscheinbare kleine Chloe."
„Leider sind wir aber nicht allein, nicht
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