Entscheidung aus Liebe
bezweifelte nicht, dass Helena etwas Wichtiges wusste. Ihre übertrieben ängstliche Reaktion auf den Anblick des Mannes war ein deutliches Zeichen dafür gewesen. Oder war eine zart besaitete Dame wie sie einfach zu empfindlich, um das unflätige Benehmen eines gewöhnlichen Mannes zu ertragen? Nein, so etwas konnte sich Jareth nicht einmal bei Helena vorstellen.
„Ich versuche nur, alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen", beruhigte er den Sheriff.
Dieser sah ihn scharf an, ohne sich von Jareths Antwort überzeugen zu lassen. „Ich verstehe. Würden Sie mich bitte informieren, falls Sie mehr über diese ... Möglichkeiten erfahren?"
„Natürlich, Sir."
Nachdem der Sheriff gegangen war, begab sich Jareth zum
Fenster hinüber. Seit über zwei Monaten war er Chloe aus dem Weg gegangen, doch er konnte nicht darauf verzichten, sie heimlich zu beobachten. Das Argument, sie lediglich im Auge behalten zu wollen, damit ihr und den Kindern nichts zustieß, war ihm dabei äußerst willkommen.
Nachdem er sie und seine Nichten vorhin durch das Fenster gesehen hatte, musste er einfach herausfinden, wohin sie gegangen waren. Auch wenn er dazu gezwungen war, ihr fern zu bleiben, so würde er sich trotzdem nicht das Vergnügen verweigern, ihren Anblick zu genießen.
Er spähte aus dem Fenster und entdeckte sie schließlich, drüben bei den Stallungen. Sie saß zusammen mit seinen Nichten, einer Puppe und einem Teddybären an einem gedeckten Teetisch, der genau vor der Pferdekoppel stand. Hinter ihnen stolzierte eine ganze Parade von Pferden vorbei.
Was für eine geniale Idee! Chloe gewöhnte die Kinder langsam wieder an die Nähe von Pferden und lenkte sie gleichzeitig durch ein Spiel ab, damit die Mädchen zu beschäftigt waren, um sich ernsthaft zu fürchten.
Ihre clevere Idee begeisterte ihn so sehr, dass er überlegte, ob er sich ihnen anschließen sollte. Schließlich waren viele Wochen seit ihrer gemeinsamen Liebesnacht vergangen, und mittlerweile sollte es ihm nicht allzu schwer fallen, sich in ihrer Gegenwart zu beherrschen. Außerdem würden sie nicht allein sein, sondern in der Gesellschaft der Mädchen und einer ganzen Horde Dienstboten. Und nicht zuletzt vermisste er seine Nichten. Er hatte große Fortschritte damit gemacht, ihr Vertrauen zu gewinnen, bevor er sich absichtlich von ihnen fern gehalten hatte.
Nach einer Weile sagte er sich, dass er die Situation bravourös meistern würde. In Wirklichkeit war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis er die Trennung von Chloe nicht mehr aufrechterhalten konnte. Und dieses bezaubernde Bild der jungen Frau, die an dem unvorstellbarsten Ort eine Teegesellschaft mit Kindern und Spielzeuggästen gab, war einfach unwiderstehlich.
Eine warme Brise wehte durch sein Haar, als er über den Rasen ging. Tief atmete er
die süße Frühlingsluft ein, die nach Blumen duftete und den nahenden Sommer ankündigte. Voller Vorfreude beschleunigte er seine Schritte. Er fühlte sich so zufrieden, wie schon seit... nun, zwei Monaten nicht mehr.
Als Chloe ihn erblickte, war sie sichtlich überrascht. „Euer Gnaden? Gibt es irgendeine wichtige Angelegenheit, über die Sie mit mir sprechen möchten?"
„Nein, nichts", erwiderte er lächelnd. Widerwillig wandte er den Blick von ihrem liebreizenden Gesicht ab und begrüßte Rebeccah und Sarah. „Als ich euch vom Fenster aus gesehen habe, hielt ich diese Teegesellschaft für eine wundervolle Idee", sagte er zu den Mädchen. „Ich dachte, ich frage sie einfach, ob ich vielleicht ebenfalls eingeladen werde."
Statt einer Antwort streckte die kleine Sarah die Hand aus und hob den Bären Samuel, der neben ihr saß, von seinem Stuhl. Es war die schönste Einladung, die Jareth jemals bekommen hatte.
„Vielen Dank, guter Samuel, dass du deinen Platz für mich aufgibst."
Rebeccah kicherte und legte schnell eine Hand auf ihren Mund. Auch Chloe musste lächeln, daher senkte sie schnell den Kopf. Es war seltsam, nach so vielen Wochen wieder in seiner Gesellschaft zu sein.
„Und wie heißt diese junge Dame, wenn ich fragen darf?" fuhr Jareth fort, während er auf die Puppe zeigte.
„Das ist Henrietta", informierte ihn Rebeccah. „Oh, ich meinte Ka-ssio-pei-a. Ich habe ihr einen neuen Namen gegeben."
Mit einem Mal wurde Jareth von Schuldgefühlen geplagt. Das Mädchen hatte ihrer Puppe wegen des gleichnamigen Sternbildes den Namen Kassiopeia gegeben. Zweifellos hatte sie ihrem Onkel damit gefallen wollen. Er schwor sich, das Vertrauen
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