Entscheidung der Herzen (German Edition)
aus dem Staub gemacht, um Cassian zu suchen und David war wiederum seiner Schwester gefolgt. Nur Laetitia war noch da. Und sie war schwanger. Würde sie, die sich erst seit so kurzer Zeit auf dem Schloss befand, dort allein zurechtkommen? Was würde geschehen, falls neue Hiobsbotschaften eintrafen?
Nein, sie musste mit Sir Baldwin gehen. Der Kleine brauchte sie jetzt am dringendsten.
Lady Elizabeth wandte sich an Sir Baldwin: »Ich bin in fünf Minuten bereit«, sagte sie, dann ging sie hocherhobenen Hauptes zur Küche. In wenigen Sätzen weihte sie Margarete ein und bat sie, auf Laetitia aufzupassen und ihre Augen und Ohren offen zu halten. Dann holte sie einen warmen Umhang, packte auch für Jonathan ein paar warme Sachen ein und folgte Sir Baldwin auf das Schloss der Ardens.
In der Herberge, die sie am Abend aufsuchten, wartete bereits eine Nachricht auf sie.
»Ein Herr, gut gekleidet und von ausgezeichneten Manieren, übergab mir ein Schreiben an Euch«, sagte der Wirt und reichte mit dem Zimmerschlüssel eine versiegelte Nachricht über die Theke aus blank poliertem Holz.
»Eine Nachricht? Von wem?«
»Der Herr hatte es eilig, und er hat mir seinen Namen nicht genannt. Ihr seid doch aber Lord Cassian von Arden, oder?«
Der Wirt musterte ihn ein wenig misstrauisch von oben bis unten. Cassian trug ein Hemd, das nicht mehr ganz sauber war. Sein Wams war zwar aus feinstem Tuch – schlieβlich war es aus den Beständen von Lord Whitechap –, wies aber an den Ellenbogen dünne Stellen auf. Die Hose war zwar ebenfalls von bester Qualität, hatte aber auch ihre besten Tage schon hinter sich. Nein, dachte der Wirt, wie ein Edelmann sieht der nicht gerade aus. Sein Blick glitt zu Cathryn und er nickte ihr zwar zu, aber mehr als knapp, da er in der jungen Frau eine, nun ja, Begleiterin des vermeintlichen Lords vermutete. Cathryns Kleid war zwar inzwischen getrocknet, aber so stark verknittert, als hätte sie darin geschlafen. Einige Grasflecke zierten die Rückseite, das Brusttuch war verrutscht und das Haar hing ihr in vom Wind zerzausten Strähnen im Gesicht. Sie hatte einen kleinen schwarzen Fleck neben dem linken Nasenflügel.
Cassian antwortete dem Wirt nicht, sondern brach das Siegel und las.
»Es ist von David. Er sucht uns. Ich glaube, er hat in jeder auf dem Weg Hegenden Herberge eine Nachricht hinterlassen. Morgen wartet er in der letzten Herberge vor Nottingham auf uns, schreibt er. Er wird so lange dort bleiben, bis wir kommen.«
Cathryn nickte. »Das schaffen wir. Wir schlafen uns richtig aus und reiten morgen in aller Frühe weiter.«
»Ausschlafen?« Cassian lächelte und tippte ihr mit dem Zeigefinger auf die Nase. »Ich glaube nicht, dass wir groβ zum Schlafen kommen werden, wenn wir gemeinsam in einem Bett liegen.«
Er hatte Unrecht. Der lange Ritt hatte sie beide so angestrengt, dass sie schon nach wenigen Minuten eingeschlafen waren. Cassian hielt Cathryn von hinten umfangen. Sie schmiegte ihren Körper an seinen und hielt die Hand, die über ihre Schulter ragte, so fest, als hätte sie Angst, er könne sie im Schlaf verlassen.
Doch Cassian dachte nicht daran. Was immer auch geschehen würde, er würde Cathryn niemals wieder allein lassen. In seinem Kopf war während des langen Rittes ein Plan entstanden. Ein Plan, der ihn selbst schaudern machte, doch es fiel ihm keine andere Lösung ein.
Cassian hatte beschlossen,Baldwin Humbert zu töten. Es gab viele Gründe dafür: Jonathan würde endlich und für immer frei und der jüngste Sohn der Jourdans sein. Cathryn wäre ebenfalls frei. Sie brauchte Sir Baldwin nicht zu heiraten. Nun, im schlimmsten Falle würde er, Cassian, hängen, doch seiner Liebsten hätte er eine jahrelange Qual erspart. Cathryns Glück gegen sein Leben. Nein, dieser Preis erschien ihm ganz und gar nicht zu hoch. Auβerdem dachte er auch an das Schicksal der Menschen, die zu den Arden–Manors gehörten. Auch sie hatten es verdient, im Frieden und in Würde miteinander zu leben und zu arbeiten. Und dann waren da noch die Jourdans, die Sir Baldwin ebenfalls seit Jahren ausgeliefert waren. Er überlegte, ob es in der ganzen Gegend auch nur einen einzigen Menschen gab, der um Sir Baldwin trauern würde. So lange er auch darüber nachdachte, es fiel ihm niemand ein. Im Gegensatz dazu kannte er dafür eine Menge Menschen, denen mit Baldwins Tod eine Last von den Schultern genommen werden würde.
Cassian war Katholik. Er kannte das Gebot der Bibel: Du sollst nicht
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