Entscheidung der Herzen (German Edition)
Margarete, nur bewahre mich bitte vor dem Verhungern. Ich glaube, ich könnte ein ganzes Wildschwein allein verzehren.«
»Reicht Euch fürs Erste ein Truthahn? Die Köchin hatheute Morgen einen geschlachtet. Eigentlich sollte er für den Sonntag zum Braten herhalten, aber ich denke, Mylord und Mylady haben nichts dagegen, wenn Ihr schon einmal davon kostet.«
Mit diesen Worten drehte sich Margarete um und ging in die Küche, nicht aber, ohne sich in der Tür noch einmal umzudrehen und mit dem Finger auf Davids Stiefel zu zeigen.
»Ist ja schon gut«, rief ihr David zu und beugte sich hinunter und wäre dabei beinahe hingefallen, da im selben Moment Cathryn die groβe Freitreppe, die in die oberen Geschosse führte, herabgeeilt kam und sich direkt auf ihn stürzte.
»David!«, rief sie. »Mein Gott, da bist du ja endlich! Wo ist Cassian? Hast du ihn mitgebracht?«
Sie sah sich in der Halle um und das Strahlen auf ihrem Gesicht erstarb, als sie sah, dass David allein zurückgekehrt war.
Sie legte eine Hand auf die Brust und wurde plötzlich sehr blass. »Ist er … ist er … ?«
Sie brachte es nicht fertig, den Satz zu beenden.
»Nein!«, rief David schnell und nahm seine Schwester in den Arm. »Nein, du brauchst keine Angst zu haben. Cassian lebt und soviel ich gehört habe, ist er auch wieder gesund.«
»Du hast ihn gesehen? Mit ihm gesprochen? Wo ist er? Was macht er? Warum hast du ihn nicht mitgebracht? Ist seine Wunde verheilt? Hat er genug zu essen?«
»Pscht, pscht«, machte David und drückte Cathryn so fest an sich, dass ihr Mund auf seine Schulter drückte. »Lass mich erst die Stiefel ausziehen, ehe du mir Löcher in den Bauch fragst. Margarete hat gedroht, mich verhungern zu lassen,wenn ich ihre Polster beschmutze. Es geht ihm gut, Cathryn. Cassian ist gesund und hat genug zu essen.«
Unruhig trippelte Cathryn von einem Bein auf das andere. Sie konnte es kaum abwarten, bis David endlich seinen Umhang ausgezogen hatte. Er hatte sich noch nicht wieder hingesetzt, als sie schon bat: »Los, erzähle mir von Cassian. Erzähle alles, was du weiβt. Lass keine Silbe aus. Hast du ihn getroffen? Wie sah er aus?«
David schüttelte den Kopf. »Nein, Cathryn, ich habe Cassian nicht getroffen. Nur einen Mönch in einem Londoner Kloster, der mir sagte, dass sich Cassian einem Wanderprediger von den Quäkern angeschlossen hat. Sie sind auf dem Weg nach Nottingham. Unterwegs übernachtete ich in einem anderen Kloster in Leicester. Dort erfuhr ich, dass Cassian die Kutte genommen hat. Er ist jetzt ein Laienbruder, Cathryn. Er hat sein Leben Gott gewidmet. Und…«
David sah Cathryn an, die mit groβen Augen und einem angespannten Zug um die Mundwinkel seinem Bericht lauschte. »… und er plant, nach Amerika zu gehen und dort ein neues Leben zu beginnen.«
»WAS ? WAS HAST DU DA GESAGT?«
»Ja, Cathryn. Er ist jetzt ein Geistlicher, ein Laienprediger. Aber das Wichtigste ist doch, dass er lebt und dass es ihm gut geht, nicht wahr?«
Cathryns Unterlippe zitterte und ihre Haut wurde aschfahl, als sie mit schleppender Stimme erwiderte: »Ja, du hast Recht. Das Wichtigste ist, dass er lebt und dass es ihm gut geht. Noch mehr oder etwas anderes zu wünschen, wäre purer Eigennutz.«
Und doch war ihr Gesicht von Traurigkeit undVerzweiflung gezeichnet, als sie fortfuhr: »Einmal nur möchte ich ihn noch sehen, ein einziges Mal nur. Ich möchte mich von ihm verabschieden und ihm Glück wünschen.«
Plötzlich hellte sich ihr Gesicht auf: »Ich werde nach Nottingham fahren. Oder nein, David, es ist besser, ich reite dorthin. Wenn es sein muss, bei Nacht und Nebel. Ich muss ihn einfach noch einmal sehen, verstehst du mich? Ein einziges Mal nur! Bitte, hilf mir dabei! Hilf mir noch ein letztes Mal. Hilf mir, weil Cassian dein Freund und ich deine Schwester bin.«
David seufzte. Er wollte gerade zu einer Antwort anheben, als Margarete aus der Küche kam und ihm einen groβe Platte mit gebratenem Fleisch, Brot und frische äpfel brachte. Auf dem Tablett stand ebenfalls ein Krug mit Wasser und sogar ein kleines Glas Portwein, den Margarete normalerweise wie ihren Augapfel hütete.
Sie setzte sich zu den Geschwistern und beobachtete jeden Bissen ihres Lieblings, ehe sie die leeren Platten schlieβlich in die Küche brachte.
David und Cathryn warteten, bis Margarete verschwunden war, bevor sie ihre unterbrochene Unterhaltung wieder aufnahmen. Sie hatten nicht geschwiegen, weil sie Margarete nicht vertrauten, sondern
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