Entscheidung der Herzen (German Edition)
neugierig gemacht und ich denke nicht daran, mich aus diesem Stuhl zu erheben, bis ich nicht alles weiβ, was ich wissen möchte. Cathryn, fang an. Ich bin ganz Ohr.«
David grinste, dann setzte er sich neben seine Tante und beide blickten Cathryn erwartungsvoll an. Diese musste ebenfalls lächeln und erzählte in aller Offenheit, was sie für Cassian empfand und wie der Traum ihrer groβen Liebe durch Sir Baldwin Humbert zerstört worden war.
Lady Silvana vergoss Tränen der Rührung und des Mitgefühls. Als sie sich wieder gefangen hatte, zog sie Cathryn in ihr Ankleidezimmer.
»Such dir das schönste Kleid aus, das du finden kannst, meine Liebe. Nimm dir Bänder, Ketten, Ringe. Nimm alles, was dir gefällt. Es tut mir so Leid, dass ich dir nicht helfen kann. Aber du sollst dich wenigstens wohl fühlen in deiner Haut. Heute Abend, besonders aber am Tag deiner Verlobung. Du hast keinen Grund, in Sack und Asche zu gehen. Dir ist mit der Liebe zu Cassian eine Gnade beschiedenworden, nach der sich wohl jeder Mensch sehnt, die aber nur wenige erleben dürfen.«
Cathryn folgte dem Rat ihrer Tante Silvana. Sie zog ein dunkelgrünes Kleid an, das ihre Augen zum Strahlen brachte, flocht sich ein Band in derselben Farbe ins Haar und schmückte den Ausschnitt ihres Kleides mit einer goldenen Kette, an der ein Smaragd hing.
»Du siehst wunderschön aus. Schlicht, aber von vollendeter Anmut und Vornehmheit«, befand Silvana, und auch David nickte anerkennend.
»Ich weiβ, dass Cassian sich nicht von äuβeren Dingen beeindrucken lässt«, stellte Cathryn fest. »Aber mir wird es gut tun, mich schön zu fühlen, obwohl ich weiβ, dass meine Schönheit ihn jetzt nicht mehr beeindrucken wird.«
»Abwarten«, war alles, was Lady Silvana dazu sagte. »Noch ist nicht aller Tage Abend.«
Ein paar Stunden später machten sie sich auf den Weg zum Marktplatz. Die Blätter der Bäume hatten sich bereits herbstlich bunt gefärbt, ein kühler Wind strich durch die Straβen und trieb das Laub vor sich her wie die Kinder ihre Holzkreisel.
Cathryn war aufgeregt und zitterte ein bisschen. In wenigen Augenblicken würde sie Cassian wiedersehen. Ihr Blick flog die Straβe hinab.
Aus allen Gassen strömten die Menschen in Richtung Marktplatz. Viele Leute hatten nicht nur ihre Kinder mitgebracht, sondern führten auch die alten Familienmitglieder am Arm. Sie alle hatten freudige Gesichter und schienen sich auch nicht an dem kalten Wind zu stören.
Cathryn trug über dem Kleid ihrer Tante einen Umhang aus braunem Samt, der von einer silbernen Spange gehalten wurde. Trotzdem fröstelte sie, es war allerdings nicht die Kälte, sondern vielmehr die Aufregung, die sie erschauern lieβ.
Der Marktplatz war voller Menschen. Ganz Nottingham schien gekommen zu sein, um die Prediger reden zu hören. Aber nicht alle waren ihnen wohl gesinnt. Das Nottinghamer Parlament, der Stadtrat, war fest in den Händen der Puritaner. Die Stadtschergen hatten sich überall verteilt, standen in ihren Uniformen, den Degen an der Seite und eine Muskete in der Nähe, hielten die Hände auf dem Rücken verschränkt und blickten drohend um sich.
»Warum die Schergen?«, fragte Cathryn ihre Tante Silvana verwundert.
»Ach, an ihnen darfst du dich nicht stören. Die meisten stimmen den Predigern wahrscheinlich aus vollem Herzen zu. Doch du kennst den Spruch: Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing. Die Ratsherren und Parlamentarier scheinen nur darauf zu warten, dass ein Wort fällt, das einen Grund bietet, die Prediger zu verjagen. Aber ich bin sicher, es wird ihnen nicht gelingen. Doch jetzt komm. Wir sind noch viel zu weit hinten. Jetzt, wo ich weiβ, wer Cassian von Arden ist und über welche Qualitäten er verfügt, muss ich ihn mir aus allernächster Nähe betrachten.«
Sie nahm Cathryn beim Arm und schob sie rücksichtslos durch die Menschenmenge bis in die erste Reihe, vor der ein kleines Holzpodium, der so genannte Rufstuhl, stand.
Als die Rathausuhr acht Uhr schlug, teilte sich plötzlich die Menge und machte zwei Männern Platz, die langsam zum Rufstuhl schritten. Cathryn erkannte Cassian aufAnhieb, obwohl sein Haar inzwischen zu einer kurzen Tonsur geschnitten war und er die ärmliche graue Kutte eines Laienpredigers trug.
Sie versuchte seinen Blick einzufangen, während ihre Lippen lautlos seinen Namen formten. Doch Cassian hielt die Augen fest auf den Boden gerichtet. Er kam so nah an ihr vorbei, dass sie ihn hätte berühren können, wenn sie
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