Entscheidung des Schicksals
Applaus war dir unangenehm.“
Nicht nur der. Nach seiner Ansprache hatte sie im Mittelpunkt des Interesses gestanden. Mit dem alten Knaben in Tweed und den älteren Frauen, die selbst gärtnerten, hatte sie kein Problem. Doch bei allen anderen fühlte sie sich so verlegen wie in dem Moment, in dem Ashley Kendrick verraten hatte, dass sie verlobt war.
Aber heute konnte sie sich nicht hinter einem Pavillon verstecken, sondern musste den Interessierten zeigen, wo die Fundamente der alten Gartenmauern verliefen.
Helene gehörte nicht dazu. Mehrere Frauen blieben zurück, um ihre Schuhe nicht den Disteln auszusetzen, aber Helene und ein halbes Dutzend ihrer Freundinnen sprachen kaum ein Wort mit ihr. Aber sie ließen Gabe und sie nicht aus den Augen und steckten immer wieder die Köpfe zusammen.
„Ich kann mit solchen Situationen schlecht umgehen“, gestand sie.
„Das habe ich gemerkt. Du hast so gut wie nichts gesagt, als Helene zugab, dass sie die Ergebnisse deiner Nachforschungen stehlen wollte.“
„Du hast es doch für mich getan.“
„Hättest du sie zur Rede gestellt, wenn ich nicht dazugekommen wäre?“ fragte er.
Sie schnippte gegen einen losen Faden an ihrem Rocksaum. „Das spielt doch jetzt keine Rolle mehr.“
Sein Ausatmen klang verdächtig nach einem Seufzer. „Du darfst dich nicht so einschüchtern lassen, Addie. Du musst dich wehren.“
Er hatte leicht reden. Sie bezweifelte, dass er jemals eingeschüchtert worden war. „Ich danke dir für das, was du getan hast“, lenkte sie von sich ab. „Aber ich habe das Gefühl, du wirst dafür bezahlen müssen. Du musst nett zu deinen Wählern sein. Vor allem zu denen, die deinen Wahlkampf finanziert haben.“
„Auf die Stimme einer Frau, die die Idee einer anderen stiehlt, lege ich keinen Wert.“
„Sie hat viel Einfluss.“
„Trotzdem gefällt mir nicht, wie sie dich behandelt hat.“ An seiner Wange zuckte ein Muskel. „Ich wusste, dass sie ein Snob ist, aber ich hatte keine Ahnung, dass sie sie sich so benehmen würde.“
Addie schob nun den Faden langsam unter den Saum. „Ich werde es überstehen“, versicherte sie ihm und strich langsam den Rock glatt. „Bei Helene bin ich mir da nicht so sicher. Als du darauf bestanden hast, dass ich das Projekt leite, sah sie aus, als hättest du ihr einen Schlag in die Magengrube verpasst.
Das hast du doch nicht ernst gemeint, oder?“
Gabe traut seinen Ohren nicht. Addie hörte sich an, als würde die Frau ihr Leid tun.
„Dann hätte ich es nicht gesagt.“
„Aber ich habe so etwas noch nie gemacht.“
„Dann erweiterst du eben deinen Horizont. Du bist die, die mich aufgefordert hat, unerwartete Chancen zu nutzen“, entgegnete er lächelnd.
„Nur weil Dad das immer gesagt hat“, murmelte sie.
Ihm ging nicht aus dem Kopf, wie sie sich gerade beschrieben hatte.
Sie war es gewöhnt, dass man sie nicht wahrnahm.
Sie war es gewöhnt, übersehen zu werden.
Sie war es gewöhnt, so behandelt zu werden, wie Helene sie behandelt hatte.
So hatte er Addie noch nie gesehen. Das war kein Wunder, denn er hatte sie noch nie außerhalb des Anwesens erlebt. Dort war sie ihm immer gelassen und fest in sich ruhend erschienen.
Das war sie auch gewesen – bevor er sie geküsst hatte.
Vor ihnen gabelte sich die Straße. Links führte sie von FastFoodRestaurants und ShoppingCentern gesäumt zum Highway, rechts durch die Landschaft, bis sie irgendwann die schmale Straße erreichte, die sich am Rand des Anwesens entlangzog. Gabe nahm die rechte, um Addie nach Hause zu bringen. Doch bevor er das Haupttor erreichte, bog er in einen Waldweg ein und hielt.
Umgeben von nichts als Bäumen, stellte er den Motor ab. Verwirrt sah Addie ihn an.
Er drehte sich zu ihr und legte einen Arm auf das Lenkrad. „Ich möchte, dass du mir eine Frage beantwortest. Und ich möchte, dass du ehrlich bist.“
Sie nickte. „Okay.“
„Hat irgendjemand aus meiner Familie dich jemals so behandelt?“
„So wie Mrs. Dewhurst?“
„Nenn Sie Helene. Ja, so wie sie?“
„Nein“, sagte sie schnell. Kein Kendrick war je absichtlich unhöflich zu ihr gewesen.
Sein Mund war schmal und grimmig. „Was ist mit den Gästen?“
„Denen begegne ich nie. Manchmal sehe ich sie, wenn ich an den Reitpfaden arbeitete. Aber ich ziehe mich rechtzeitig zurück, damit ich nicht im Weg bin.“
Es gehörte zu ihrem Job, unauffällig zu sein.
Gabe hatte keine Ahnung, warum ihm das erst jetzt aufging.
Er war mit Dienstboten
Weitere Kostenlose Bücher