Entscheidung des Schicksals
aufgewachsen. Er hatte selbst in Richmond eine wunderbare Haushälterin. Aber nie hatte er irgendjemanden, der für seine Familie oder ihn arbeitete, mit anderen Augen gesehen als zum Beispiel seine Sekretärin. Sicher, manche mochte er lieber als andere. Manche waren eher Freunde als Angestellte. Aber jeder von ihnen hatte einen Job, und solange sie ihn machten, stolz auf ihre Arbeit waren und ihre Talente nicht verschwendeten, war ihm egal, welche Funktion sie hatten.
Addie war von ihrem Vater behütet, von ihrer Mutter gebremst worden und hatte Tag für Tag mit dem Gefühl gelebt, allen anderen aus dem Weg gehen zu müssen.
Ihm dagegen war von Geburt an eingeimpft worden, dass er sich durchsetzen und Erfolg haben musste.
Sie starrte schon wieder auf ihren Rocksaum.
Er legte die Finger unter ihr Kinn und hob es an.
„Niemand sollte nicht bemerken, dass du da bist, Addie. Du solltest niemals übersehen werden. Du bist eine schöne, intelligente Frau und hast genauso viel Recht, in dem Komitee zu sitzen, wie jeder andere in Camelot. Mir fällt niemand ein, der fähiger wäre, das Projekt zu leiten.“
Seine Berührung war zärtlich, sein Blick nicht. Der war feurig, und seine Augen blitzten wie immer, wenn er sich über eine Ungerechtigkeit aufregte. Das kannte sie, aber er hatte es noch nie ihretwegen getan.
Sie konnte nicht glauben, dass er sie schön genannt hatte.
Sie konnte nicht glauben, wie sehr sein Vertrauen sie rührte. Und wie sehr sie seine Berührung vermisste, als sein Daumen ihre Wange streifte, bevor er die Hand wieder sinken ließ.
„Du meinst wirklich, ich kann es?“ fragte sie.
„Ich habe nicht den geringsten Zweifel daran. Du bewältigst die Arbeit auf diesem Anwesen. Der Garten ist hundert Mal kleiner.“
Ihre Finger tasteten nach dem Faden. „Ich meinte die Arbeit in der Gesellschaft.“
„In der gibt es viele Leute, die nicht so denken wie Helene“, erwiderte er und war versucht, sie erneut zu berühren. Aber sie führten ein entspanntes Gespräch, ganz wie früher. Er wollte nicht riskieren, alles wieder kaputtzumachen. „Einige hast du schon kennen gelernt. Wenn Helene Ärger macht, ruf mich an, und ich rücke ihr den Kopf zurecht.“
Wie von selbst fiel sein Blick auf ihren Mund. Einen Herzschlag später riss er sich los und startete den Motor.
Addie atmete tief durch und sagte sich, dass sie das hier für ihren Dad tat.
6. KAPITEL
Als Addie ihre Mutter zum Cottage eilen sah, wusste sie sofort, dass etwas nicht stimmte. Rose Löwe hatte die Arme so fest vor der Brust verschränkt, dass man glauben könnte, sie würde frieren. Außerdem kam ihre Mutter nie vor acht Uhr abends nach Hause, und es war erst halb sechs.
Addie hatte sich gerade auf die Stufe gesetzt, um die Gummistiefel auszuziehen, und fragte sich, was passiert war. Hatte Olivia vergessen, ihre Herztabletten zu nehmen, und einen Anfall erlitten? Oder war Ina beim Fensterputzen von der Leiter gefallen?
„Was ist los?“ Addie wischte sich die feuchten Finger an den Jeans ab. Es hatte in der Nacht geregnet, und der Boden war noch immer feucht. „Ist jemand verletzt?
Brauchst du mich im Haupthaus?“
Sie griff nach dem Gummistiefel, um ihn wieder anzuziehen.
„Es ist in ganz Camelot herum. Es gibt niemanden, der es nicht weiß. Gütiger Himmel“, schäumte Rose. „Was hast du dir nur gedacht? Du hast mir ins Gesicht gelogen! Das hätte ich nicht von dir erwartet. Niemals!“
Addies Fuß war halb im Stiefelschaft verschwunden, als sie zu der schmalen, blassen Frau hinaufsah, die vor ihr stand und am ganzen Körper zitterte.
„Kein Wunder, dass du keinen Hochzeitstermin festlegen wolltest.“ Ihre Mutter hastete an ihr vorbei und öffnete die Tür. „Hast du dich wirklich von Scott getrennt? Oder hat er Schluss gemacht, als er es herausfand?“
Ungläubig starrte Addie sie an. „Was?“
„Oh, Addie, bitte“, murmelte ihre Mutter. „Dein Verhältnis mit Gabe, was denn sonst?“
„Mein was?“
Rose stand neben der Tür und zeigte auffordernd ins Cottage. Ganz offenbar hatte sie Angst, dass jemand dieses Gespräch mitbekam. Addie stand auf und blieb, wo sie war.
„Wovon redest du?“
„Von deiner Affäre“, flüsterte ihre Mutter. „Olivia weiß es vom Fleischer. Sie war noch keine fünf Minuten hier, da rief die Hausdame der Dewhursts an, um es ihr zu erzählen.“
Addies Herz fühlte sich an, als wäre es stehen geblieben.
„Die Hausdame der Dewhursts?“
„Sie und Olivia sind
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