Entscheidung des Schicksals
Sie hatte beteuert, dass Gabe und sie nur Freunde waren.
Offenbar hatte Gabe genau das auch zu seiner Mutter gesagt. Jedenfalls hatte Ina das gehört. Das Dienstmädchen hatte es Olivia erzählt, und von der hatte Rose es erfahren. Aber sie hatte es nicht geglaubt. „Natürlich bestreitet er die Affäre“, hatte sie zu Addie gesagt. „Das tun Männer in seiner Position immer.“
„Nichts“, sagte Addie zu Olivia.
Die Hintertür fiel laut ins Schloss. Das tat sie selten, denn das Personal achtete stets darauf, keinen Lärm zu machen. Der Knall hallte noch durch die Luft, als Ina mit flatternder Schürze auf sie zurannte.
Das Dienstmädchen hielt eine Zeitung in der Hand. „Sag, was du willst, Addie“, begann sie atemlos. „Aber ich garantiere dir, niemand, der das hier sieht, wird glauben, dass zwischen euch nichts läuft.“
Das Foto war auf Seite drei. Oben rechts. Zwölf mal zwölf Zentimeter. Schwarz weiß. Nicht zu übersehen.
Es zeigte sie beide im Profil. Sie standen einander gegenüber. Gabe sah ihr ins Gesicht, sie zu ihm hoch. Und er strich ihr gerade über die Wange.
„Lass sehen.“ Olivia schaute über Addies Schulter. Fünf lange Sekunden vergingen. „Oje“, murmelte sie.
Die Bildunterschrift lautete: Senator Gabriel Kendrick und Familiengärtnerin Addie Löwe beim Rendezvous.
„Das ist nicht gut.“ Addie holte tief Luft und stieß sie wieder aus.
Ina drängte sich an ihre Seite. „Ich finde, es ist ein tolles Foto. Sehr romantisch.
Ihr seht beide toll aus. Aber dass ihr nur Freunde seid, nimmt euch jetzt keiner mehr ab. Mich hat noch kein NurFreund so angesehen.“
Ina hatte Recht. An dem Blick, den der Fotograf eingefangen hatte, war nichts Platonisches. Sie sahen aus wie ein Mann und eine Frau, die eine intime Beziehung führten.
Offenbar fand Olivia das auch. „Ich weiß seit langem, dass er eine Schwäche für dich hat. Die hatte er schon als Junge. Er nahm immer Kekse für dich mit, wenn er zu deinem Dad ging. Aber ich hätte nie gedacht, dass er dir so nachstellt.“
Den Ausdruck hatte ihre Mutter auch benutzt. „Das tut er nicht“, widersprach sie und überflog den Artikel unter dem Foto.
„Ich glaube es nicht“, murmelte sie nach einem Moment.
„Was ist?“ fragte Olivia besorgt.
„Hier.“ Addie zeigte auf eine Zeile. „Das Zitat von Eric Dashill.“
„Wer ist das?“ wollte Ina wissen. „Der Vorsitzende der Oppositionspartei.“ Olivia las es laut vor.
„ Wir wissen alle, dass Senator Kendrick den Wählern Ehrlichkeit, Anstand und Offenheit versprochen hat. Sein Büro hat offiziell bestritten, dass zwischen ihm und Miss Löwe eine Beziehung besteht. Dieses Foto beweist das Gegenteil. Also scheint der Senator sein im Wahlkampf gegebenes Versprechen nicht zu halten.
Da er diese Beziehung offenbar geheim halten will, muss man sich fragen, ob er auch in anderer Hinsicht etwas zu verbergen hat.“
Idas Stimme war voller Mitgefühl. „Und ich dachte, das Foto ist schon schlimm genug. Das haben Rose und ich noch gar nicht gelesen.“
„Sie ziehen ihn in den Schmutz“, sagte Olivia empört. „Kein Wunder, dass Mr. Kendrick in die Luft gegangen ist.“
Addie wurde blass.
Die Köchin legte ihr eine Hand auf den Arm und sah Ina an. „Woher hast du die Zeitung?“
„Aus dem Frühstückszimmer. Mr. und Mrs. Kendrick sind in die Bibliothek gegangen, weil sie wussten, dass wir sie hören konnten. Nach einer Weile kam Mrs. Kendrick zurück und sagte zu Mrs. Löwe, dass sie mit ihr reden will, sobald Mr. Kendrick ins Büro gefahren ist.“ Ina warf Addie einen betrübten Blick zu.
„Dein Name ist nicht gefallen, aber wenn ich du wäre, würde ich für eine Weile den Kopf einziehen.“ Sie rieb sich die Arme.
„Ich sehe besser nach Rose“, sagte Olivia. „Jetzt hat sie bestimmt noch mehr Angst, dass sie entlassen wird.“
„Warum sollte sie entlassen werden?“ fragte Ina. „Wenn Mrs. Kendrick jemanden feuert, dann doch wohl Addie. Nicht, dass ich das richtig finden würde“, fügte sie hastig hinzu. „Gabe und sie sind erwachsene Menschen.“ Trotzig nickte sie Addie zu. „Wenn du ihn willst, schnapp ihn dir.“
„Ich will ihn nicht.“ Addie wünschte, jemand würde ihr zuhören. „Wir haben gestern nur versucht, die Gerüchte zu entkräften.“
„Nun, ich würde sagen, das ist gründlich danebengegangen“, murmelte Olivia.
„Mir persönlich ist es egal, wer wen will. Ich wünsche dir und Gabe alles Gute, aber so läuft es in diesen
Weitere Kostenlose Bücher