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Entscheidung in Cornwall

Entscheidung in Cornwall

Titel: Entscheidung in Cornwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Frau, die ihre Mutter war, traf Ramona wie ein bitterer Schmerz, und sie schloss die Augen, um sich dagegen zu wappnen. Tränen brannten hinter ihren Lidern, und sie erlaubte sich zu weinen, während sie dastand und auf ihre schlafende Mutter hinuntersah.
    Und dann schlug die Mutter die Augen auf, ohne einen Laut, ohne sich zu bewegen. Sie waren dunkel und grau wie die ihrer Tochter.
    »Mama«, sagte Ramona, und die Tränen strömten ihr über die Wangen. »Warum, Mama, warum?«
    Als Ramona wieder vor der Tür ihres Hauses stand, war sie völlig erschöpft. Sie wollte nur noch ins Bett und schlafen. Schlafen und vergessen. Noch immer hatte sie Kopfschmerzen, einen dumpfen Druck, ein peinigendes Hämmern. Und ihr war übel. Sie schloss die Tür hinter sich, lehnte sich dagegen und versuchte Kraft zu sammeln, um die Treppe hinaufsteigen zu können.
    »Ramona?«
    Sie machte die Augen auf und sah Julie entgegen, die durch die Diele auf sie zukam. Natürlich sah Julie sofort, dass Ramona völlig erledigt war, und legte ihr den Arm um die Schultern. Aus lauter Sorge begann sie, Ramona Vorwürfe zu machen.
    »Du hättest mir erlauben müssen, dich zu begleiten. Ich hätte dich nicht allein gehen lassen dürfen.« Behutsam führte sie Ramona die Treppe hinauf.
    »Meine Mutter ist mein Problem«, antwortete Ramona müde.
    »Das ist das einzig Egoistische an dir«, sagte Julie leise und zornig in Ramonas Schlafzimmer. »Angeblich bin ich deine Freundin, doch ich darf dir nicht helfen. Du würdest mich so etwas nie allein durchstehen lassen, davon bin ich überzeugt.«
    »Bitte sei nicht böse auf mich.« Ramona schwankte leicht, als Julie ihr die Kostümjacke auszog. »Ich habe nun einmal das Gefühl, dass das allein meine Sache ist, ich ganz allein die Verantwortung trage. Und ich habe viel zu lange so empfunden, um es jetzt noch ändern zu können.«
    »Aber ich bin böse auf dich.« Julies Stimme klang gepresst. Es machte ihr Angst, dass Ramona sich ausziehen ließ wie eine Puppe. »Das ist wirklich das Einzige an dir, was mich furchtbar ärgert. Ich ertrage es nicht, wenn du dir selbst so etwas antust.« Forschend sah sie ihr in das blasse, erschöpfte Gesicht. »Hast du etwas gegessen?«
    Ramona schüttelte den Kopf und ließ sich fast willenlos den Rock von den Hüften streifen.
    »Und wie ich dich kenne, wirst du auch nichts essen.« Julie schob Ramonas Hände weg, die ungeschickt an den Blusenknöpfen fingerten, knöpfte die Bluse selbst auf und zog sie ihr aus.
    »Ich gehe am Abend mit Brian essen«, antwortete Ramona und ließ sich bereitwillig von Julie zum Bett führen.
    »Ich rufe ihn an und sage ab. Du brauchst Schlaf. Später kann ich dir ja etwas heraufbringen.«
    »Nein.« Ramona schlüpfte zwischen die frischen kühlen Laken. »Ich will mit Brian essen gehen. Ich muss«, verbesserte sie sich und schloss die Augen. »Ich muss hinaus, ich möchte eine Zeit lang an gar nichts denken müssen. Jetzt schlafe ich ein bisschen. Er kommt nicht vor sieben.«
    Julie ging zum Fenster, um die Jalousie herunterzulassen. Doch Ramona war schon eingeschlafen, ehe das Zimmer abgedunkelt war.
    Brian klingelte ein paar Minuten nach sieben, und Julie öffnete ihm. Er trug einen steingrauen Anzug und ein royalblaues Hemd mit offenem Kragen. Lässig elegant, dachte Julie. Das Veilchensträußchen in seiner Hand wirkte nicht lächerlich, sondern romantisch. Er nickte anerkennend, als er ihr hautenges schwarzes Kleid sah.
    »Hallo, Julie! Du siehst hinreißend aus.« Er zupfte ein Veilchen aus dem Strauß und überreichte es ihr. »Gehst du auch aus?«
    Julie nahm die Blume und lächelte. »In einer Weile«, antwortete sie. »Ramona muss gleich herunterkommen. Brian …« Julie zögerte, schüttelte dann den Kopf und ging ihm ins Musikzimmer voraus. »Ich bringe dir etwas zu trinken. Bourbon, nicht wahr? Ohne Wasser und ohne Eis.«
    Brian hielt ihren Arm fest. »Das wolltest du doch nicht sagen.«
    Sie holte tief Luft. »Nein.« Abermals ein kurzes Zögern, und dann sagte sie, die braunen Augen fest auf ihn gerichtet: »Ramona bedeutet mir sehr viel. Es gibt nicht viele wie sie, ganz besonders nicht in dieser Stadt. Sie ist aufrichtig, und obwohl sie glaubt, sie sei härter geworden, ist sie noch genauso verletzlich wie früher. Ich möchte nicht, dass jemand ihr wehtut, besonders jetzt nicht. Nein, ich beantworte keine Fragen«, kam sie ihm zuvor. »Aber ich will dir eins sagen: Was sie braucht, sind viel Geduld und großes

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