Entscheidung in Gretna Green
einholen, ehe sie Hereford erreichen.“
„ Wir werden sie nirgendwo erreichen.“ Felicity schalt sich, es versäumt zu haben, frische Pferde zu mieten und heimlich aus Gloucester abgereist zu sein, während Hawthorn den jungen Taugenichts beim Regiment abgeliefert hatte. „Bitte nehmen Sie Vernunft an und reiten Sie nach Bath zurück. Ich werde die Reise alleine fortsetzen.“
„Ausgerechnet Sie reden von Vernunft.“ Er strich sich fahrig durchs Haar. „Haben Sie denn gar nichts aus dem nächt lichen Überfall gelernt? Wenn Sie darauf bestehen, Ivy und Oliver weiter zu verfolgen, sind Sie auf mich angewiesen.“
Welcher Mann hatte es je geschafft, dass Felicity sich vor Sehnsucht nach ihm verzehrte und sie im nächsten Moment vor Wut kochte? Diese mächtigen unvereinbaren Gefühle brachten sie aus dem Gleichgewicht. Dabei brauchte sie gerade jetzt ihre Selbstbeherrschung dringender denn je.
„Natürlich habe ich etwas daraus gelernt“, entgegnete sie spitz. „Ich werde mich hüten, nach Einbruch der Dunkelheit auf einsamen Landstraßen zu reisen. Und in Gloucester kaufe ich zwei Pistolen für Mr. Hixon und Ned. Sind Sie damit zufrieden?“
„Keineswegs.“ Sein mühsam unterdrückter Zorn brodelte wieder hoch. „Es gibt eine Menge Gefahren auf der langen Strecke nach Norden. Stürme, Überschwemmungen, Probleme mit der Kutsche oder den Pferden. Ihr Diener ist ein junger unerfahrener Bursche und Ihr Kutscher ein alter Mann.“
Er schüttelte fassungslos den Kopf.„Ichbegreife nicht, wieso Sie sich so erbittert gegen meine Begleitung wehren.“
Eine dumpfe Beklommenheit breitete sich in Felicitys Magengrube aus. Sie durfte nicht riskieren, dass Hawthorn zu intensiv über diese Frage nachdachte und möglicherweise ihr Geheimnis aufdeckte.
Bevor sie sich eine plausible Ausrede ausdenken konnte, wurde seine Miene weicher. Ein versöhnliches Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „War ich denn völlig nutzlos, als Sie in der Klemme saßen?“
Wie sollte sie diesem Blick widerstehen? „Unsinn. Sie waren … ein Held, aber …“
Er war mit zwei langen Schritten bei ihr und legte ihr zwei Finger an die Lippen. Diese vertraute Geste verwirrte Felicity, Erinnerungen wallten in ihr auf. Erinnerungen an die zärtlichen Berührungen seiner Hände, die ihr den Mund austrockneten und ihr den Atem nahmen.
„Bitte, Lady Lyte, schmälern Sie Ihr Kompliment nicht mit einem abwertenden ‚Aber‘.“
Er blickte ihr unverwandt in die Augen und sprach mit ruhiger Überzeugung. „Ich begleite Sie, und es gibt nichts, was mich daran hindern könnte. Ich habe ein Pferd und genügend Geld bei mir. Ich schwöre, Ihnen nicht zur Last zu fallen, aber ich bleibe in Ihrer Nähe, um Sie zu beschützen.“
Er nahm seine Finger von ihren Lippen. „Können wir uns bitte wie Erwachsene benehmen und nicht wie zwei zankende Kinder? Wir haben ein gemeinsames Ziel, das wir schneller erreichen, wenn wir uns zusammentun und keine kostbare Zeit mit sinnlosen Streitereien vergeuden.“
Obwohl er recht hatte und zum Verrücktwerden vernünftig argumentierte, sträubte sich alles in Felicity gegen seine beharrliche Einmischung, aber sie musste einsehen, dass sie ihn nicht abwimmeln konnte.
„Nun gut.“ Widerwillig gab sie nach und seufzte tief. „Es kann ja nicht schaden, wenn wir einen Waffenstillstand schließen, bis wir Oliver und Ihre Schwester zur Vernunft gebracht haben.“ Und sie hoffte aus tiefstem Herzen, dass die Verfolgungsjagd nicht mehr lange dauern würde.
Ihr Zugeständnis erleichterte Hawthorn; glücklich lächelte er sie an. „Schauen Sie nicht so finster drein. So schlimm, wie Sie denken, wird es nicht. Das verspreche ich bei meiner Ehre.“
Felicity bedachte ihn mit einem zweifelnden Blick. Jede weitere Stunde, die sie in seiner Nähe verbrachte, erhöhte die Gefahren für ihre Zukunft und für ihr Herz.
„Es dauert nur noch ein paar Tage“, versicherte er aufmunternd. „Dann sind Sie mich endgültig los. Ich gebe Ihnen mein Wort, ich werde mich vorbildlich benehmen.“
Sie vermied es, einen Blick zum Bett zu werfen, und verdrängte mit aller Macht ihren Wunsch, ein letztes Mal bei ihm zu liegen.
Wenn Sie ehrlich war, machte sie sich weniger Sorgen um sein Benehmen in den nächsten Tagen.
Sondern um das ihre.
7. KAPITEL
„Wollen Sie wirklich nichts essen, bevor wir aufbrechen?“, fragte Hawthorn.
Felicity schüttelte energisch den Kopf. „Ich habe ausgiebig gefrühstückt, als Sie in Berkeley
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