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Entscheidung in Gretna Green

Entscheidung in Gretna Green

Titel: Entscheidung in Gretna Green Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DEBORAH HALE
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waren. Aber was ist mit Ihnen? Sie haben noch gar nichts gegessen und nur ein kurzes Nickerchen auf dem unbequemen Stuhl gemacht.“
    Wollte sie ihn etwa auffordern, ein paar Stunden zu schlafen und ihre Kutsche in Droitwich oder Bromsgrove einzuholen? Ein abwegiger Vorschlag, auf den Hawthorn gewiss nicht hereinfiel.
    „Ich komme zurecht“, murmelte er.
    Er verdrängte seinen männlichen Stolz und überließ es Felicity, die Rechnung zu begleichen. Wenn ein Notfall eintrat, würde er jeden Penny seiner Barschaft brauchen.
    Kurz darauf half er ihr in die Kutsche, während der junge Lakai Felicitys Reisekoffer hinten festzurrte. Nachdem Hawthorn den Wagenschlag zugeklappt hatte, bestieg er das Pferd, das Weston St. Just ihm überlassen hatte.
    Der Wagenschlag flog wieder auf und Felicity rief: „Wie wär’s, wenn Sie das Pferd hinten anbinden und einsteigen. Auf diese Weise könnten Sie wenigstens ein paar Stunden Schlaf nachholen.“
    Wieso bot sie ihm plötzlich einen Platz in ihrer Kutsche an, nachdem sie sich vor Kurzem noch verbissen gegen seine Begleitung gewehrt hatte?
    „Danke, aber ich komme, wie gesagt, zurecht.“
    Er hatte versprochen, sich manierlich zu benehmen. Allein mit ihr in der engen Kutsche, könnte es geschehen, dass er sein Versprechen brach. Und selbst wenn er der süßen Verlockung ihrer Nähe widerstehen könnte, würde sie ihn bis in seine Träume verfolgen, an Schlaf war also nicht zu denken.
    „Wie Sie wünschen.“ Felicity rückte ihren grünen Hut zurecht, der ihre Augenfarbe vorteilhaft zur Geltung brachte. „Lassen Sie mich wissen, falls Sie sich anders besinnen. Ich hatte ja keine Ahnung, wie störrisch Sie sein können, Mr. Greenwood.“
    „In diesem Punkt ergänzen wir uns ausgezeichnet, Lady Lyte“, gab er zurück. Dann schnalzte er mit der Zunge, zog die Zügel seines feurigen Rappen leicht an und trabte die Straße nach Gloucester entlang. Hinter sich hörte er, wie der Wagenschlag mit einem lauten Knall zufiel. Die Pferde zogen an, Geschirre klirrten, die Räder knirschten im Sand, und das Gespann setzte sich in Bewegung.
    Die Kutsche gewann an Geschwindigkeit, bis sie auf Hawthorns Höhe war. Nebeneinander setzten sie die Reise fort an diesem sonnigen Frühlingstag auf einer Straße, die von den Römern vor Jahrhunderten angelegt worden war. Die Strecke verlief zwischen den sanften Erhebungen der Cotswold Hills und durch das weite Tal, in dem der Fluss Severn gemächlich westwärts strömte, dem Ozean entgegen.
    Er war darauf bedacht, den Blick geradeaus zu richten und nicht zum Fenster der Kutsche neben ihm. Keine leichte Aufgabe, zumal er beim ersten flüchtigen Seitenblick festgestellt hatte, dass Felicity ihn beobachtete.
    Für einen kurzen Moment waren ihre Blicke sich begegnet, suchend, einander berührend. Eine befremdliche Hitze hatte Hawthorn durchströmt. Dieser kurze Blick war inniger gewesen als jeder Kuss, den sie ausgetauscht hatten, aufregender als jede Zärtlichkeit, die es zwischen ihnen gegeben hatte.
    Möglicherweise wären sie länger in dieser stummen, unsichtbaren Umarmung verharrt, wäre nicht plötzlich eine Schranke vor ihnen aufgetaucht. Hawthorn stieg vom Pferd, um den Wegzoll zu entrichten.
    Während er dem Zöllner die Münzen aushändigte, fragte er: „Ist Ihnen zufällig gestern Nacht eine Mietdroschke mit einem jungen Paar aufgefallen? Eine hübsche junge Dame mit rotblonden Locken und ein junger Herr.“
    „Ganz recht, Sir“, antwortete der Mann im Zollhäuschen. „Eine reizende junge Dame, ausgesprochen liebenswürdig. Ganz bezaubernd.“
    „So, so.“ Ihm schwoll die Brust in beinahe väterlichem Stolz. „Das klingt ganz nach meiner Schwester.“
    Schon immer war die Wirkung seiner Schwester auf andere Menschen beeindruckend gewesen. Wie oft hatte sie in ihrer Kindheit Streiche ausgeheckt und es stets verstanden, ihrer gerechten Strafe mit ihrem reumütigen Blick und einem bezaubernden Lächeln zu entgehen.
    „Aber in einem Punkt irren Sie, Sir.“ Der Zöllner furchte die Stirn. „Das junge Paar passierte den Zoll erst heute früh.“
    „Sind Sie sicher?“
    „Jawohl, Sir. Mit der Kutsche war etwas nicht in Ordnung. Der junge Herr war gute zwei Stunden damit beschäftigt, den Schaden zu beheben.“
    „Tatsächlich?“ Hawthorn händigte dem Mann einen Schilling extra aus. „Vielen Dank für diese Auskunft. Können Sie mir ungefähr sagen, wann die beiden weiterfuhren?“
    Der Zöllner sah auf seine zerbeulte Taschenuhr.

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