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Entscheidung in Gretna Green

Entscheidung in Gretna Green

Titel: Entscheidung in Gretna Green Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DEBORAH HALE
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seiner Schwester aufs Spiel zu setzen.
    Verwirrt von Schuldgefühlen, begriff Hawthorn die Bedeutung ihrer Worte erst nach einer Weile. Sie hatte ihm ein Kompliment machen wollen. Und sie hatte etwas über sich verraten.
    In stillschweigendem Einvernehmen hatten sie nie viel über die Vergangenheit gesprochen. Aber schon bald würden sie sich für immer trennen, und es drängte Hawthorn plötzlich, möglichst viel über Felicity Lyte in Erfahrung zu bringen.
    Woher kam sie? Wie war ihre Familie? Woraus bestanden ihre Träume, woher rührten ihre Ängste? Welche Erfahrungen hatten sie zu dieser leidenschaftlichen und aufregenden Frau gemacht?
    „Wie war es dann?“ Er ließ eine Locke ihres seidig schimmernden dunklen Haares zwischen Daumen und Zeigefinger gleiten.
    Zunächst antwortete sie nicht. Sollte er seine Frage deutlicher formulieren? Oder war es vielleicht besser, es dabei zu belassen und nichts weiter über sie zu erfahren?
    „Als ich dreizehn war“, begann sie schließlich zögernd, „starb meine Mutter. An meinen Vater kann ich mich kaum erinnern. Ich hatte keinen gewissenhaften Bruder, der sich um mich gekümmert hätte, und mein Großvater war zu sehr damit beschäftigt, möglichst viel Geld zu scheffeln.“
    „Es hätte schlimmer kommen können“, bemerkte Hawthorn. „Der alte Knabe hätte auch viel Geld verlieren können – wie mein Vater.“
    „Damit hast du völlig recht.“ Sie blickte zu ihm auf. Er las in diesem Blick weder Mitleid noch Tadel, wie er befürchtet hatte. „Ich wünschte, ein kluger Mensch hätte mir das damals gesagt. Das hätte mir vielleicht geholfen, meine privilegierte Position mit anderen Augen zu sehen und mein Los zu akzeptieren.“
    „Tut mir leid, Felicity. Ich wollte nicht …“
    „Ich weiß,was du damit meinst, Thorn. Es gab gewiss viele junge Mädchen, die liebend gern mit mir getauscht hätten. Allerdings bezweifle ich, dass deine Schwestern dazu bereit gewesen wären.“
    Sie wandte rasch den Blick, dennoch bemerkte er den Tränenschleier in ihren Augen. „Reichtum ist schön und gut. Aber in dem alten Sprichwort, dass man Glück nicht kaufen kann, steckt eine große Portion Wahrheit.“
    „Vielleicht hat mein Vater nach dem Tod meiner Mutter versucht, sich sein Glück zu kaufen“, sagte Hawthorn leise, wie zu sich selbst.
    Zum ersten Mal seit seiner Kindheit dachte er an seinen häufig abwesenden, zunehmend verzweifelten Vater ohne Groll. Ein seltsames und … befreiendes Gefühl.
    Felicity schien seinen Einwurf nicht gehört zu haben. „Mein Großvater gab mich in die Obhut strenger Gouvernanten, die alles daransetzten, meinen Willen zu brechen und aus mir eine sittsame, artige Dame zu machen.“
    Er legte seine Wange an ihren Scheitel. „Ich bin hocherfreut, dass sie damit kläglich gescheitert sind.“
    „Jedenfalls gelang es ihnen vortrefflich, mir das Leben sehr schwer zu machen mit all ihren Verboten, Vorschriften und Bestrafungen.“
    Er konnte sich lebhaft vorstellen, dass Felicity einst ein ausgelassenes und übermütiges Kind gewesen war.
    „Deine Schwester ist zwar als Ehefrau denkbar ungeeignet für Oliver, aber ihre Lebensfreude spricht für dich. Du hast dich gewiss bemüht, ihr Temperament auf sanfte Weise zu zügeln und sie zu einer gesellschaftsfähigen jungen Dame zu erziehen, die dich nicht ständig in Verlegenheit bringt.“
    „Hin und wieder“, gestand er. „Aber ich war nie wirklich streng mit ihr. Im Grunde genommen habe ich Ivy oft um ihre Unbekümmertheit beneidet. Vielleicht hat in letzter Zeit sogar etwas von ihrem Überschwang auf mich abgefärbt.“
    Mit sanftem Druck hob er Felicitys Kinn an, um sie zu küssen. „Was würden meine ehrenwerten Bekannten wohl sagen, wenn sie mich jetzt sehen könnten?“
    „Jedenfalls würden wir die sittenstrengen Kurgäste in Bath eine ganze Woche mit pikantem Klatsch versorgen.“ Schmunzelnd bot sie ihm ihren Mund zum Kuss. „Vielleicht sogar zwei.“
    Hawthorns Mundwinkel zogen sich vergnügt hoch. Keine andere Frau hatte ihn je mit einem Blick, einem Lächeln, einem Wort so erheitert wie Felicity. Und keine andere Frau hatte je einen solchen Sturm der Leidenschaft in seinem kühlen Herzen entfacht.
    Dieser Sturm brachte sein Blut wieder in Wallung. „Ist es nicht unsere Bürgerpflicht, der feinen Gesellschaft etwas zu liefern, worüber sie sich wirklich ereifern kann?“
    „Warum nicht?“ Sie strich mit zarten Fingern über seine nackte Hüfte. „Und woran denkst du

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