Entscheidung in Gretna Green
als siebzehn sein, überlegte Felicity. Etwa im gleichen Alter wie sie damals, als sie sich Hals über Kopf in das Abenteuer ihrer Ehe gestürzt hatte.
Hawthorn schüttelte den Kopf. „Wie Sie bereits sagten, die beiden passen überhaupt nicht zusammen.“ Er verdrehte die Augen. „Meine Schwester – die Ehefrau eines Wissenschaftlers. Ivy ist zwar liebenswürdig und hat ein gutes Herz“, fügte er hinzu, „aber sie ist eher …“
„Ein Wildfang?“, half sie etwas nach. „Unbeständig? Flatterhaft?“
Er wollte ihr widersprechen, doch dann meinte er achselzuckend: „Wahrscheinlich haben Sie auch damit recht.
Ich kann mir gut vorstellen, dass Ivy in dieser heimlichen Flucht ein wahnsinnig romantisches Abenteuer sieht. Aber sie ist völlig unerfahren, weiß noch nichts von der Welt. Wie sollte sie wissen, ob der junge Armitage der Richtige ist, um mit ihm die nächsten zwei Wochen zu verbringen, geschweige denn ihr ganzes Leben?“
„Ja, wie sollte sie das wissen?“ Felicity seufzte erleichtert auf. Wenigstens war sie in diesem Punkt mit Hawthorn einer Meinung. Beide hatten gute Gründe, Ivys und Olivers verrückten Hochzeitsplan zu durchkreuzen.
Wobei sie ein Motiv hatte, von dem Hawthorn niemals erfahren durfte. Es war der gleiche Grund, aus dem sie ihre Affäre vorzeitig beendet hatte, obgleich sie sich gewünscht hatte, bis zum Ende der Saison mit ihm zusammen zu sein. Eigentlich hatte sie sogar in Erwägung gezogen, im nächsten Jahr dort wieder zu beginnen, wo sie in dieser Saison aufgehört hatten.
Das durfte niemals geschehen, genauso wenig wie es je geschehen durfte, dass ihr Neffe in die Greenwood-Familie einheiratete.
„Dann sind wir uns also einig?“ Er ärgerte sich darüber, dass ihm die Bemerkung über seine langweilige Art entschlüpft war. Es gab kaum etwas Ermüdenderes als einen abgelegten Liebhaber, der sich nicht in Anstand und Würde zurückzuziehen verstand. „Man muss die beiden zur Vernunft bringen und ihr Vorhaben vereiteln.“
Ein Ausdruck der Verzweiflung trübte Felicitys strahlend grüne Augen. Dann holte sie tief Atem und straffte ihre schmalen Schultern. „Ganz recht. Ich packe meine Koffer und breche noch heute Nacht auf. Sie können nicht mehr als zwölf Stunden Vorsprung haben. Wenn alles gut geht, hole ich die Ausreißer ein, bevor sie Gloucester erreichen.“
Sie wollte zur Tür. Im weißen seidenen Hausgewand und mit ihrem schimmernden offenen Haar sah sie kaum älter aus als Ivy.
„Reden Sie keinen Unsinn.“ Hawthorn ergriff ihr zartes Handgelenk. „Sie wollen doch nicht allein durch ganz England kutschieren – ohne männlichen Schutz.“
Sie entwand sich ihm und funkelte ihn finster an. „Ich reise nicht ohne männlichen Schutz. Ich werde von meinem erfahrenen Stallmeister als Kutscher und einem Diener begleitet.“
Als sei die Sache damit erledigt, strebte sie ihrem Zimmer zu. Er ließ sich nicht abwimmeln und folgte ihr.
„Im Übrigen“, sie warf ihm einen giftigen Blick über die Schulter zu, „werde ich nicht gezwungen sein, Oliver und Ihre Schwester bis nach Schottland zu verfolgen. Vermutlich reisen sie in einer langsamen Mietdroschke. Mit etwas Glück hole ich sie morgen bereits ein und bringe Ihnen Ivy tags darauf wohlbehalten zurück.“
Sie blieb an der Tür ihres Schlafzimmers stehen und streckte ihm die Hand entgegen. Einen Moment wusste er nicht, ob sie sich verabschieden wollte. Doch dann begriff er, dass sie den Kerzenleuchter haben wollte.
Störrisch weigerte er sich, ihr das Licht auszuhändigen. „Glauben Sie im Ernst, Ivy ließe sich von Ihnen widerspruchslos nach Bath bringen? Und was ist, wenn die beiden in einem Gasthaus Rast machen, um die Pferde zu wechseln, und Sie fahren an ihnen vorbei?“
Ihre Verblüffung verriet ihm, dass sie daran nicht gedacht und auch keine anderen Hindernisse in Erwägung gezogen hatte. Sie schien völlig überfordert zu sein. Zum Glück hatte wenigstens er selbst einen Plan, wie die beiden jungen Leute zu stoppen waren. Zugegeben, er hatte ja auch etwas mehr Zeit gehabt, sich einen zurechtzulegen, nachdem er entdeckt hatte, dass Ivy die gemeinsame Mietwohnung in einem der ärmeren Stadtviertel verlassen hatte.
„Ich erkundige mich in jedem Gasthaus an der Straße nach den Ausreißern.“ Felicity ließ sich nicht beirren. „Es kann nicht so schwierig sein, ihnen auf der Spur zu bleiben. Wenn nötig folge ich ihnen eben bis Gretna. Nun geben Sie mir freundlicherweise das Licht, damit
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