Entscheidung in Gretna Green
hallten wie Hohngelächter in Felicitys Kopf. Man hatte eine Falle für sie ausgelegt, und sie war blind hineingetappt. Hatte sie nicht aus ihrer Vergangenheit gelernt, auf der Hut zu sein? War sie zu dumm, um aus Fehlern zu lernen?
Ihr entsetzter Blick flog zu Hawthorn. Ein flatterhaftes gedankenloses Geschöpf wie Ivy Greenwood hätte diesen hinterhältigen Plan niemals alleine aushecken können. „Sie waren daran beteiligt, stimmt’s? Sie haben den beiden diesen tückischen Plan eingeredet, nicht wahr?“
Sein harter und kalter Blick bestätigte ihren schlimmsten Verdacht.
Als sie vor ihm zurückwich, stieß sie mit dem Rücken gegen die Kamineinfassung. „Wie konnte ich nur so naiv sein und mich von Ihnen so schändlich hintergehen lassen?“
Er drängte sich an seiner Schwester vorbei. „Ich wusste davon genauso wenig wie Sie, das schwöre ich.“ Er versuchte, Felicity in die Arme zu nehmen. „Sie werden mir doch nicht im Ernst eine derartig niedere Gesinnung unterstellen.“
Felicity sehnte sich verzweifelt danach, ihm zu glauben und sich in seinen Armen wieder geborgen zu fühlen … und eine gemeinsame Zukunft mit ihm zu planen. Aber eine Zukunft mit Hawthorn Greenwood bestand nur aus Lügen der schlimmsten Sorte.
„Kommen Sie mir nicht zu nahe!“, fauchte sie und wich vor seiner Berührung zurück, mehr aus Angst, ihrer Schwäche zu erliegen, als vor Hawthorn selbst. „Fassen Sie mich nicht an!“
Mit all ihrer Willenskraft kämpfte sie darum, sich ihre Schwäche nicht anmerken zu lassen. Aber während ihr Blick zwischen Ivy und ihrem Bruder hin und her irrte, tauchten Bilder aus ihrer Kindheit auf: Die Gesichter ihrer verhassten Erzieherinnen, die Miene ihres strengen Großvaters. Und dann die Verachtung in den Augen ihres treulosen Ehemanns und die seiner hochmütigen Mutter.
Erst als ihr Blick das vertraute, liebenswerte Gesicht von Oliver Armitage wahrnahm, begannen Bestürzung und Grauen nachzulassen.
„Ich gebe dir keine Schuld an diesem bösen Spiel, mein lieber Junge. Wir beide wurden auf abscheuliche Weise hintergangen.“
Sie streckte die Hand nach ihm aus und flehte leise. „Bitte bring mich nach Hause … bitte.“
Das schmale Gesicht ihres Neffen spannte sich an, in seiner Wange vibrierte ein Zucken. So hatte sie ihn oftmals gesehen, wenn er über einem wissenschaftlichen Rätsel brütete. Aber Felicity sah noch mehr. Eine schmerzliche Fassungslosigkeit, die ihn gelegentlich ergriff, wenn die Logik seiner Gedankengänge sich letztlich in Widersprüchen verhedderte.
„Bitte reg dich nicht auf, Tante Felicity. Sei nicht böse mit Ivy“, bat er inständig. „Sie wollte euch beide doch nur glücklich machen.“
Oliver sah zu Hawthorn. „Und Mr. Greenwood wusste nichts von unserem Plan, das musst du mir glauben.“
Sie schüttelte fassungslos den Kopf. Oliver war ein gebildeter junger Mann, aber er musste noch viel lernen, um sich in einer Welt aus Lug und Trug zurechtzufinden.
Bevor sie ihn zur Vernunft bringen konnte, ergriff Oliver wieder das Wort und sprach mit einer Entschlossenheit, die sie an ihm gar nicht kannte.
„Bedauerlicherweise kann ich dich nicht sofort nach Hause begleiten, Tante Felicity. Ivy und ich werden heiraten.“ Und zu Hawthorn gewandt, fuhr er fort: „Noch heute, wenn ich Mr. Greenwood davon überzeugen kann, uns seinen Segen zu geben.“
Schlimm genug, dass die Greenwoods sie heimtückisch hinters Licht geführt hatten, aber ihren unschuldigen leichtgläubigen Neffen zu benutzen, um ihr Ziel zu erreichen – das empörte Felicity weit mehr.
Oliver lächelte ihr aufmunternd zu. „Das alles mag dir wie eine Komödie der Irrungen und Wirrungen erscheinen, aber es wird sich alles zum Guten wenden und zu einem glücklichen Ende führen, glaube mir, Tante Felicity. Willst du uns mit Mr. Greenwood nach Gretna begleiten, und wir feiern Doppelhochzeit?“
Bei dem Gedanken, dass sie selbst noch vor Kurzem mit diesem Gedanken gespielt hatte, erschauerte Felicity bis ins Mark.
„Du dummer Junge!“, schrie sie außer sich vor Empörung. „Siehst du denn nicht, dass Ivy Greenwood genau wie all die anderen ist. Sie hat es doch nur auf dich abgesehen wegen meines Vermögens. “
Hätte sie ihm zwei schallende Ohrfeigen versetzt, Oliver hätte nicht verletzter aussehen können. Felicity bedauerte zwar, so hart mit ihm umgehen zu müssen, aber sie war keinesfalls bereit, ihre Anschuldigungen zurückzunehmen. Sie musste ihren Neffen zwingen, die
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