ENTSEELT
in meiner Abwesenheit. Jetzt, wo Wellesley weg ist und ich hier bin, dürfte es da drunter und drüber gehen. Du kennst diese Situation aus erster Hand, also wirst du als unser Kontaktmann – oder unsere Kontaktfrau – unersetzlich sein. Wir werden dich täglich über alles, was hier geschieht, ins Bild setzen. Aber wahrscheinlich wirst du so viel zu tun haben, dass du gar nicht dazu kommst, dir über Harry Sorgen zu machen.«
Harry fügte hinzu: »Er hat recht.«
Sie sah zu ihnen hinüber, dann wandte sie sich wieder ab. »Na ja, wenigstens hat das auch ein Gutes: Ich muss mir keine Gedanken über solche Angelegenheiten machen, wie ... wie das Verbrennen des armen Ken.«
Darcy blickte zu Harry. »Wie sieht es damit aus? Wie viel Zeit haben wir, bis ...?«
»Wir müssen uns nur dann selbst darum kümmern, wenn die hiesigen Behörden das nicht auf die Reihe bekommen. Aber allein schon wegen der Hitze hier würde ich davon ausgehen, dass die das ohne Probleme veranlassen werden.«
Darcy runzelte die Stirn. »Aber gibt es da keine Inkubationszeit oder so etwas? Ich meine, bevor die Sache ... riskant wird?«
»Du meinst, bis er wieder aufsteht und umgeht?« Harry schüttelte den Kopf. »Nein, es gibt keine bestimmte Zeit. Wie lange hat das bei George Lake gedauert, dem Onkel von Yulian Bodescu?«
»Drei Tage und drei Nächte«, antwortete Darcy augenblicklich. »Sie hatten ihn gerade eben erst beerdigt, als er sich wieder ausgebuddelt hat.«
»Bitte hört auf!« Sandra schüttelte sich. In ihren Augen spiegelte sich der Schrecken.
Harry blickte zu ihr hinüber. Sie tat ihm leid, aber er musste trotzdem fortfahren. »Lake war ein Fall wie aus dem Lehrbuch. Aber ich glaube nicht, dass es feste Regeln gibt. Jedenfalls keine, auf die ich mich verlassen würde.« Er setzte sich gerade auf und sah sich um. »Wisst ihr eigentlich, dass wir als Touristen einen ziemlich jämmerlichen Eindruck machen müssen? So langsam wird es hier jetzt auch voll. Ich würde vorschlagen, wir gehen zurück in das Haus. Vielleicht liege ich auch völlig falsch damit, wenn ich glaube, dass wir unter Menschen sicherer sind; vielleicht macht das gar keinen Unterschied. Und außerdem müssen wir immer noch unser Vorgehen planen und das Haus absichern.«
Auf dem Weg zurück schwiegen sie die meiste Zeit. So weit weg vom Zentrum der Stadt und so früh in der Touristensaison waren die Straßen noch relativ leer. Es herrschte viel Verkehr auf den Straßen, die ins hell erleuchtete Stadtzentrum führten, aber die Gehwege waren wie ausgestorben. Mit dem sanft schimmernden Meer auf der rechten Seite der Promenade und den Sternen der Milchstraße, die wie Diamanten über das Firmament verteilt waren, hätte es sehr romantisch sein können. Wenn die Umstände andere gewesen wären. Aber während sie die kiesbestreute Auffahrt zu ihrer Eingangstür hinaufschritten, konnte nicht einmal das eintönige einschmeichelnde Klagen der kleinen griechischen Eulen ihre Stimmung heben.
Sobald sie im Inneren waren, ging Darcy nach oben, um die Fenster zu überprüfen, während Harry das Gleiche bei den Fenstern im Erdgeschoss und der Hintertür tat. Die beiden Türen waren massiv und besaßen gute Schlösser und starke Riegel. Die Fenster hatten alle Jalousien auf der Außenseite und waren innen mit Einbruchssicherungen versehen.
»Es könnte nicht besser sein«, sagte Darcy, als sie sich wieder an dem Tisch im Wohnzimmer trafen.
»Doch«, widersprach Harry. »Erinnere mich daran, dass ich morgen Knoblauch kaufen muss.«
»Natürlich.« Darcy nickte. »Weißt du, dass ich das völlig vergessen hatte? Das ist so sehr ein Teil der Legenden, ich habe gar nicht mehr daran gedacht, dass es auch in der Wirklichkeit hilft!«
»Ja, Knoblauch. Auf Starside, dem Heimatplaneten der Wamphyri, nennen die Traveller ihn ›Kneblasch‹. Da kommt auch der irdische Name in den meisten Sprachen her.« Er grinste müde und ohne Humor. »Noch ein bisschen nutzlose Information.«
»Nutzlos?« Sandra war anderer Meinung. »Ich glaube, es könnte nicht schaden, wenn du uns so viele von diesen nutzlosen Informationen geben würdest, wie dir einfallen.«
Harry zuckte die Achseln. »Vieles davon findest du in Darcys ›Legenden‹. Aber wenn du darauf bestehst ...« Er zuckte noch einmal mit den Achseln, diesmal als Warnung. »Nur eines darfst du dabei nicht vergessen: Bei einem Vampir darfst du nie etwas als Gewissheit ansehen. Und niemand, nicht einmal ich selbst, weiß über
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