ENTSEELT
Kaffee. »Ein voller Magen macht müde, und Alkohol macht es nur noch schlimmer. Ich will, dass euch klar wird, wie todernst ich diese Sache hier nehme. Aber falls du wirklich deinen Schnaps trinken willst, Darcy, bitte, lass dich nicht aufhalten.«
Darcy blickte auf seinen Schwenker und die großzügig bemessene Portion goldgelber Flüssigkeit darin, dann stellte er ihn zur Seite.
»Okay, die Indizien: Seit mehr als vier Jahren haben die Toten keinen Versuch unternommen, mit mir in Kontakt zu treten. Oder, falls sie das getan haben, habe ich davon nichts gemerkt. Nur meine Mutter mag in meinen Träumen zu mir gekommen sein; dessen bin ich mir sogar ziemlich sicher, so ist sie nun mal. Und jetzt plötzlich bringen sie mich in Gefahr. Na ja, es war Zufall, dass sie Wellesley angegriffen haben; sie waren gerade am rechten Ort, als er mich ermorden wollte. Aber sie waren da, um mir eine Nachricht zu übermitteln. Und es gibt drei Möglichkeiten, was sie dazu gebracht haben könnte: a) meine Mutter; b) sie selbst, weil sie sich Sorgen um mich machen, oder c) Ken und Trevor, die versucht haben, mich in meinen Träumen zu erreichen.«
Darcy runzelte die Stirn. »Sie haben versucht, telepathisch mit dir in Kontakt zu treten? Das habe ich nicht gewusst.«
»Mir war das auch nicht bewusst, bis Ken Layard aufgewacht ist. Als er uns gesehen und gesprochen hat ... Für mich klingt eine geistige Stimme so wie die richtige Stimme, Darcy, und als wir noch in Schottland waren, habe ich geträumt, dass Leute mich telepathisch kontaktieren wollten. Aber ich wusste nicht, wer das war. Als ich dann Layards Stimme gehört habe, erkannte ich sie wieder. Die Sache selbst kann für sie nicht so kompliziert gewesen sein. Layard ist ein Lokalisierer, er hat mich gefunden. Und Trevor ist Telepath; er hat geholfen, die Nachricht zu übermitteln. Und warum ich? Weil ich der Experte auf dem Gebiet bin, mit dem sie es hier zu tun hatten. Und sie wussten genau, worum es hier geht, denn sie waren beide an dem Fall Bodescu beteiligt.«
Darcy nickte und befeuchtete sich die trockenen Lippen. Er hob sein Brandy-Glas und nippte nur kurz daran, um seinen Mund anzufeuchten. »Okay – und was spricht noch dafür?«
»Mein Sinne, von denen ich, so wie du, mehr als fünf habe.«
»Nicht mehr«, warf Sandra ein und biss sich sofort auf die Zunge. Sie hoffte, er werde es nicht falsch auffassen.
Ihre Sorge war unbegründet. Er lächelte, wenn auch ein wenig gezwungen, und sagte: »Ich muss nicht mit den Toten reden, um den Unterschied zwischen einer Leiche und einem lebenden Menschen zu sehen.«
Wieder runzelte Darcy die Stirn. »Und was soll das jetzt wieder heißen? Das gilt doch wohl für uns alle.«
»Bist du jemals im Dunkeln durch eine stille, leere Gasse gegangen?«, fragte Harry. »Und plötzlich warst du dir sicher, da ist noch jemand? Und dann hast du ein Streichholz in einem Hauseingang aufflackern sehen, wo sich gerade jemand eine Zigarette anzündete? Hast du je Verstecken gespielt, und während du die anderen suchen musstest, mit einem Mal das Gefühl zwischen den Schulterblättern verspürt, dass jemand dich beobachtet? Und dann, wenn du dich umgedreht hast, war da wirklich jemand? Ich meine jetzt nicht den sechsten Sinn, von dem ich sehr wohl weiß, dass du ihn besitzt, sondern einfach so etwas wie ein Gefühl in der Magengrube?«
Darcy nickte und Harry fuhr fort: »Siehst du, so wie du die Anwesenheit von lebenden Menschen spüren kannst, so spüre ich die Toten. Ich weiß, wann ich in Gesellschaft von toten Menschen bin. Und deswegen kann ich mit Bestimmtheit sagen, dass Ken Layard nicht tot ist! Selbst wenn ich immer noch mit den Toten sprechen könnte, könnte ich nicht mit Ken Layard reden. Er ist nämlich nicht tot. Er lebt zwar auch nicht mehr, aber er ist irgendwo dazwischen. Er ist untot, versklavt von jemand anderem, und er wird als Vampir wieder auferstehen, wenn wir nicht sicherstellen, dass er seine ewige Ruhe findet. Das hat er mir in meinem Traum gesagt, darum hat er mich angefleht: Ich soll ihn finden, ihn zerstören und ihm so seine Ruhe geben.«
»Und als er und Trevor nicht zu dir durchdringen konnten, haben die wirklichen Toten ihre Botschaft überbracht, verstehe ich das richtig?«
»So ist es. Sie haben versucht, mir das in Stein zu schreiben, mitten in meinem Garten.«
Sandra schüttelte sich. »Gott. Wenn ich mich über Wellesleys Anweisungen hinweggesetzt hätte! Ich wäre dann bei dir gewesen, als er
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