ENTSEELT
worden war, hatten glatte Stalagmitenhügel kleine Nasen oder Beulen auf den unregelmäßigen Bodenplatten gebildet. Dumitru war kein Archäologe, aber schon anhand der primitiven Struktur der behauenen Steine und des schlechten Zustands des uralten Mörtels, konnte sogar er das Alter dieses verborgenen Teils des Schlosses auf mindestens acht- oder neunhundert Jahre datieren. So alt musste es sein, um diese Kalziumablagerungen zu bilden, es sei denn, die Lösungen, die von oben herabtropften, waren ungewöhnlich mineralhaltig.
Es gab zahlreiche Durchgänge, die alle etwa zweieinhalb Meter breit und dreieinhalb Meter hoch waren, und die sämtlich in einem Mauerbogen endeten, von denen einige sich unter dem unglaublichen Gewicht der höheren Stockwerke ein wenig abgesenkt hatten. Die Decken bestanden aus Gewölben, die ähnlich wie die Durchgänge konstruiert waren, und waren alle mindestens vier oder fünf Meter hoch. An einigen Stellen waren gewaltige Steine herausgebrochen – zweifellos durch die Wucht der Explosion, die das Schloss verwüstet hatte – und hatten die schweren Bodenplatten wie dünne Schiefertafeln zerschmettert.
Hinter den Bogengängen fanden sich weitere Räume, die alle sehr groß waren und ihre eigenen Durchgänge hatten; Dumitru war in ein Labyrinth aus uralten Räumen gelangt, in denen der Bewohner dieser Ruine seine geheime Kunst praktiziert hatte.
Abgesehen von seiner ersten, von Panik bestimmten Vermutung hatte Dumitru alle Schlüsse vermieden, was die Natur dieser Kunst angeht. Aber das war nun nicht mehr möglich. Die Wände waren mit Fresken bedeckt, die, wenn auch verblasst, die ganze Geschichte erzählten. Und viele der Räume enthielten unmissverständliche Beweise einer sehr viel realeren und erschreckenderen Art. Auch die Stimme in seinem Kopf, jetzt grausam und voller Häme, gestattete ihm keine Unwissenheit. Sie wollte, dass er diese alten Geheimnisse erfuhr.
Nekromantie, hast du gedacht, als deine Fackel zum ersten Mal die Schatten in diesen Räumen vertrieben hat, Dumitru, insistierte die Stimme. Die Wiedererweckung der Salze und Asche von Verstorbenen zurück ins Leben, um von ihnen etwas zu erfahren. Die Geschichte der Welt, so wie sie wirklich war, aus dem Mund von Zeitzeugen, direkt von den ins Leben zurückgeholten, unvollendeten Schemen, die diese Geschichte erlebt haben. Die Antworten auf bislang ungelöste Rätsel und vielleicht sogar die Vorhersage in weiter Ferne liegender Zukünfte. Ja, Wahrsagerei mithilfe der Toten! ... Das hast du gedacht, als du das hier gesehen hast.
Nun, nach einer kurzen Pause ein geistiges Achselzucken, du hast recht gehabt. Aber du hast nicht weit genug gedacht. Du hast dich nicht richtig umgesehen ... du tust es jetzt noch nicht einmal! Was soll das, Dumitru? Bist du mein Sohn, oder ein Baby, das sich in die Hose macht? Ich dachte, ich hätte starken Wein zu mir gerufen, und muss jetzt feststellen, dass die Szgaaany in all diesen Jahren nur Wasser gekeltert haben? Ha-haa-haaaa! Aber nein ... ich scherze ... sei nicht wütend, mein Sohn ...
Das ist doch Wut, oder, Dumiiitruuu? Nein?
Ist es etwa Angst? Du fürchtest um dein Leben, Dumiiitruuu? Die Stimme war jetzt zu einem Flüstern herabgesunken, aber sie fraß sich in den Schädel wie ätzende Säure. Aber du wirst dein Leben haben, mein Sohn – in mir! Das Blut ist das Leben, Dumiiitruuu – und das wird immer weiter gehen ... immer ...
Aber, aber! Jetzt wurde die Stimme lebhaft, jovial . Nicht doch, wir werden trübsinnig, und das darf nicht sein! Trübsinn? Warum? Wir werden wie eine Person sein, und wir werden unser Leben miteinander verbringen. Hörst du mich, Dumiiitruuu? ... Nun?
»Ich ... ich höre dich«, antwortete der junge Mann, obgleich da niemand war.
Und? Glaubst du mir? Sag es – sag, dass du an mich glaubst, so wie die Väter deiner Väter an mich geglaubt haben.
Dumitru war sich nicht sicher, ob er wirklich glaubte, aber der Besitzer der Stimme hielt seinen Verstand in einem Klammergriff, bis er hervorstieß: »Ja! ... Ja, ich glaube, so wie meine Väter geglaubt haben.«
So sei es, sagte die Stimme, offenbar zufriedengestellt. Dann sei nicht so schüchtern, Dumiiiitruuu. Sieh dir meine Taten an und wende den Blick nicht ab, schrecke nicht davor zurück. Schau hin: Die Bilder, die an die Wände gemalt und in den Stein geritzt sind, die vielen Amphoren in den Regalen, die Salze und Pulver, die diese uralten Gefäße enthalten.
Im flackernden Fackelschein sah
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