Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
ENTSEELT

ENTSEELT

Titel: ENTSEELT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
Vom Netzwerk:
aus einem Gefühl der Erleichterung heraus, andere aus Angst vor einer ungewissen Zukunft. Denn für diejenigen, die dieses Mal davongekommen waren, würde es immer andere Gelegenheiten geben.
    Aber sie waren Szgany und dies war der Lauf der Dinge; sie gehörten Ihm bis ans Ende der Welt, Er hatte das Sagen, Er durfte nehmen. Ihr Pakt mit dem Alten war vor mehr als vierhundert Jahren geschlossen und besiegelt worden. Durch Ihn war es ihnen über die Jahrhunderte hinweg gut gegangen, ging es ihnen jetzt gut und würde es ihnen in alle Zukunft gut gehen. Er machte die harten Zeiten leichter und die leichten Zeiten härter; Er sorgte immer für einen Ausgleich. Sein Blut war in ihnen und ihres in Ihm. Und das Blut ist das Leben.
    Nur zwei hielten sich abseits und blieben allein. Obwohl die Mädchen tanzten und alles trank und feierte, waren sie für sich. Denn all dieser Lärm und die Fröhlichkeit um sie herum waren nur aufgesetzt, etwas, an dem sie schwerlich teilhaben konnten.
    Einer der beiden, der junge Mann von dem Felsen, saß auf den Stufen eines verschwenderisch verzierten und bemalten Wagens mit einem Wetzstein und seinem Messer mit der langen Klinge und schärfte die Klinge, bis sie im Schein der flackernden Lagerfeuer silbrig blitzte. Und im gelben Lampenlicht hinter ihm in der offenen Tür saß seine schluchzende Mutter, rang die Hände und betete mit allen Kräften zu Einem, der kein Gott war, sondern fast das Gegenteil davon, Er möge ihren Sohn in dieser Nacht verschonen. Aber ihr Flehen war vergeblich.
    Und als eine Weise zu Ende ging und die bunten Röcke sich über glänzende braune Gliedmaßen senkten und schnurrbartbewehrte Männer in ihren Sprüngen und Kapriolen innehielten – in der Pause, in der die Geiger an ihrem Schnaps nippten, bevor sie eine neue Melodie aufnahmen –, da zeigte der Mond seinen Rand über den Bergen, deren nebelbedeckte Schluchten plötzlich deutlich hervorgehoben wurden. Und als die Kinnladen herunterklappten und alle Augen sich dem aufgegangenen Mond zuwandten, da drang das klagende Heulen eines Wolfes aus den unsichtbaren Höhen der Felsen zu ihnen herunter.
    Für einen Moment war alles zu einem Tableau erstarrt, doch dann wandten sich alle Blicke dem jungen Mann auf den Stufen des Wohnwagens zu. Er stand auf, sah zum Mond und den Berggipfeln empor und seufzte. Er steckte das Messer in den Gürtel, trat auf die Lichtung hinaus und überquerte sie mit staksigen Schritten. Er ging auf die Dunkelheit jenseits des Wagenkreises zu.
    Seine Mutter durchbrach die Stille. Ihr Jammern, das sich zu einem gequälten Kreischen hochschraubte, war das einer Todesfee, als sie sich aus ihrem Wohnwagen stürzte, die hölzernen Stufen hinunterpolterte und mit weit ausgebreiteten Armen hinter ihrem Sohn herlief. Aber sie rannte nicht zu ihm hinüber; stattdessen fiel sie einige Schritte entfernt auf die Knie, die Arme ausgestreckt, ein hilfloser Griff in die leere Luft.
    Der Führer der Sippe, ihr »König«, war vorgetreten, um den jungen Mann zu umarmen. Er schlang die Arme um ihn, küsste ihn auf beide Wangen und entließ ihn wieder aus seiner Umarmung. Ohne noch länger zu zögern, verließ der Auserwählte den Schein der Feuer, trat zwischen den Wagen hindurch und wurde von der Dunkelheit verschlungen.
    »Dumitru!«, kreischte seine Mutter. Sie rappelte sich auf die Füße, wollte hinter ihm herstürzen – und fand sich in den Armen ihres Königs wieder.
    »Finde dich damit ab, Frau«, sagte er grob zu ihr, mit bebender Kehle. »Wir haben das schon seit Monaten kommen sehen, haben den Wandel in ihm beobachtet. Der Alte hat gerufen und Dumitru hat geantwortet. Wir wussten, was uns erwartet. Das ist immer so.«
    »Aber er ist mein Sohn, mein Sohn!«, schluchzte sie herzerweichend an seiner Brust.
    »Ja«, sagte er, und seine eigene Stimme brach schließlich, und Tränen strömten über seine ledrigen Wangen. »Und meiner ... er ist auch mein Sohn ... ja.«
    Er führte sie stolpernd und schluchzend zurück zu ihrem Wohnwagen, und hinter ihnen setzte die Musik wieder ein und der Tanz, das Schmausen und das Trinken.
    Dumitru Zirra erkletterte die Felsformationen des Zarandului wie ein Luchs, der in diesen Höhen geboren war. Der Mond beschien seinen Weg, aber auch ohne diesen silbernen Schimmer hätte er sicher seinen Weg gefunden. Er hatte einen Führer in seinem Innern; eine Stimme in seinem Kopf, die nicht seine Stimme war, verriet ihm, wohin er seinen Fuß, seine Hand, seinen Griff

Weitere Kostenlose Bücher