ENTSEELT
nekromantischen Experimenten? Das würde ich schon gern wissen. Denn so wie es scheint, ist Janos jetzt in seiner neuesten Reinkarnation von dort gekommen ...
Faethor wusste, dass Harry an ein anderes Schloss in den Karpaten dachte, auf der russischen Seite, in einer Gegend, die man einst die Horvathei nannte und die jetzt noch bei manchen Leuten Bukovina heißt. Auch das war einst eine Burg Faethors gewesen, und was er dort zurückgelassen hatte und sich in den alten Gewölben eigenständig weiterentwickelt hatte, war unbeschreiblich gewesen. Harry wusste also, dass in bestimmten Ruinen erhebliche Gefahren lauern können.
Ich verstehe deine Befürchtungen , versicherte ihm der Vampir, aber ich glaube, sie sind unbegründet. Denn meine Feste in den Höhen über Halmagiu und Virfurilio existiert nicht mehr. In einem gewaltigen Knall ist sie im Oktober 1928 auseinandergeflogen.
Ja, ich erinnere mich, sagte Harry. Ladislau Giresci erzählte davon. Offenbar hat es eine Explosion gegeben, vielleicht durch Methan, das sich in den Kellern angesammelt hatte. Wenn die Gewölbe so weit reichten, wie du sagst, ist das gut möglich. Aber wenn Janos beziehungsweise seine Überreste das überstanden haben, wer kann dann sagen, ob nicht auch noch irgendetwas anderes überlebt hat?
Wie ich schon sagte, hatte Janos seine Vorkehrungen getroffen. Was auch immer zerstört worden ist, als die Burg einstürzte, er ist davon nicht betroffen worden. Vielleicht hatten seine Szgany die Asche an einen anderen Ort gebracht, und sie nur später wieder zurückgebracht, als das Haus bereits in Trümmern lag. Ich weiß es nicht. Vielleicht hatten sie seine Überreste in Sicherheit gebracht, als das Schloss seinen neuen Besitzer fand. Ich weiß es einfach nicht.
Ein neuer Besitzer?
Faethor seufzte, aber schließlich erläuterte er: Ja, es gab noch einen Besitzer. Hör zu, und ich erkläre es dir.
Während des fünfzehnten, sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts, sogar noch bis weit ins achtzehnte Jahrhundert hinein, war die angeblich zivilisierte Welt immer hellhöriger geworden, was »Hexen« und »schwarze Künste« anging. Hexen, Nekromanten, Dämonen, Vampire und alles, was damit zusammenhing – echt oder eingebildet, schuldig oder unschuldig –, wurde von sogenannten Hexenfindern verfolgt, mithilfe der Folter »entlarvt« und ausgerottet. Nun, der wahre Vampir ist sich immer seiner eigenen Sterblichkeit bewusst und er kennt den großen Feind seiner Art: die Aufmerksamkeit der anderen! Und gerade das 16. Jahrhundert war keine Zeit, in der man zu alt werden oder anders als die anderen sein oder zurückgezogen leben oder auch nur die Neugier anderer Personen erregen durfte. Kurz gesagt, auch wenn die Anonymität unter den Wamphyri immer schon eine Voraussetzung für ein langes Leben gewesen ist, so war das nie so wichtig wie in dieser düsteren und gewaltsamen Epoche des 16. und 17. Jahrhunderts.
Gegen Ende des 17. Jahrhunderts waren die Hexenfinder besonders eifrig in Amerika, und ein Mann namens Edward Hutchinson wurde aus einem Ort namens Salem vertrieben. Es gelang ihm, mein altes Heim in den Bergen zu pachten und dort lebte er ... viel zu lange! Er war ein Satanist, ein Nekromant, und vielleicht auch ein Vampir. Vielleicht sogar ein Wamphyri! Aber wie ich schon angedeutet habe, er war unvorsichtig; er lebte zu lange an einem Ort und erregte so die Neugier seiner Nachbarn.
Er studierte die Geschichte des Hauses und gab sich im Lauf der Zeit diverse hochtrabende Pseudonyme: Er nannte sich nicht nur Edward, sondern trat auch als der Baron oder Janos – selbst als Faethor – auf! Schließlich blieb er bei Baron Ferenczy. Und das erweckte, wie du dir bestimmt vorstellen kannst, meine Aufmerksamkeit. Es beleidigte mich, genauso wie seine Okkupation meines Schlosses. Ich hatte gedacht, ich könnte selbst einmal wieder dorthin zurückkehren, wenn die Dinge sich geändert hatten und der Makel von Janos über die Jahre ein wenig verblasst wäre. Die Wamphyri sind heimatverbunden, wie du ja weißt. Und deswegen hatte ich mir geschworen, dass ich meine Angelegenheit mit diesem Hutchinson bereinigen würde, zu einem Zeitpunkt meiner Wahl und bei einer günstigen Gelegenheit.
Aber die Gelegenheit ergab sich nie; ich musste mich um meine eigenen Dinge kümmern, und in der Welt geschah so viel, und immer kam etwas dazwischen. Und so lebte dieser Fremdling mehr als zweihundert Jahre lang in dem Schloss, das ich gebaut hatte, während ich
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