ENTSEELT
abgeschnitten. Das ist auch einer der Gründe, warum ich jetzt nach Ihnen gesucht habe. Wissen Sie, ich hatte nicht nur mein Vermögen verloren, mit den Toten zu reden, ich kann auch nicht mehr das Möbius-Kontinuum benutzen. Und ich brauche es jetzt nötiger als je zuvor.
Das Kontinuum? Du brauchst es? Möbius war immer noch nicht der Alte, ganz im Gegenteil. Oh, wir brauchen es alle, Harry. Es ist sogar so, ohne es ist da nichts! Es ist alles! Und ... und ... es tut mir leid, Harry, aber ich muss dahin zurück.
Das ist schon in Ordnung, antwortete Harry verzweifelt, während er spürte, wie Möbius’ Totenstimme in der Ferne verhallte. Ich schwöre Ihnen, ich würde Sie nicht belästigen, wenn es nicht absolut unverzichtbar wäre, aber ...
Es ... es redet mit mir! Möbius’ Stimme war ein ehrfürchtiges Raunen, das durch den Äther driftete und verhallte, als sich seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes richtete. Ich glaube, ich weiß, was es ist, Harry. Das Einzige, was es sein kann. Ich ... muss ... jetzt ... gehen ... Haaarrry.
Einen Augenblick später war er weg, verschwunden, und nicht einmal ein Echo blieb zurück. Daraus konnte Harry schließen, dass Möbius zu dem Ort zurückgekehrt war, der für ihn vollkommen unzugänglich war. In das Möbius-Kontinuum.
Schließlich war Harry allein und konnte die Nacht durchschlafen, aber auch wenn jetzt keine weiteren Träume mehr folgten, war er dennoch unruhig.
Am nächsten Morgen, in Manolis’ Wagen auf dem Weg zu Trevor Jordan, kam plötzlich etwas zum Vorschein, das Harry schon länger gestört hatte. »Manolis«, sagte er. »Ich bin ein Trottel. Ich hätte schon früher daran denken sollen.«
Der Grieche warf ihm einen Blick zu. »Woran, Harry?«
»Der KGB wusste, dass ich auf dem Weg nach Rumänien war. Sie wussten es fast schneller als ich. Ich meine, sie warteten bereits auf mich, als ich gelandet bin – jedenfalls ihre Schläger. Es muss sie also jemand informiert haben. Jemand hier auf Rhodos!«
Einen Moment lang sah Manolis verständnislos drein, aber dann grinste er und schlug sich auf die Schenkel. »Harry, du bist ein wirklich seltsamer Mann mit außerordentlich bizarren Fähigkeiten, aber du wirst nie einen richtig guten Polizisten abgeben. Ich bin natürlich gestern schon, als du uns deine Geschichte erzählt hast, zu demselben Schluss gekommen. Es musste ja so sein. Und als Nächstes habe ich mich gefragt, wer davon wissen konnte, abgesehen von uns hier. Die Antwort: Niemand – außer dem Schalterbeamten am Flughafen. Meine Kollegen vor Ort überprüfen das gerade. Wenn es da eine undichte Stelle gibt, werden sie sie finden.«
»Gut«, sagte Harry. »Aber ich wollte eigentlich auf etwas anderes hinaus. Das Letzte, was ich gebrauchen kann, ist, dass auch in Ungarn jemand auf mich wartet. Für den Fall, dass ich wirklich dorthin muss!«
Manolis nickte. »Ich verstehe deine Besorgnis. Hoffen wir einfach, dass meine Kollegen fündig werden.«
Weder Manolis, noch Harry oder Darcy konnten wissen, dass gerade in diesem Moment die Polizei am Flughafen den Mann verhörte, der den Kundenschalter betreute; ihn und seinen Bruder, der ihnen schon lange ein Dorn im Auge war und dem sie bisher nur noch nichts nachweisen konnten. Es war ihnen zunächst einmal egal, welche Antworten sie auf ihre Fragen bekamen. Sie waren sich sicher, sie würden schließlich doch die Auskünfte bekommen, die sie haben wollten.
In der Nervenheilanstalt wurden sie von einer Schwester begrüßt, die sie zu Jordans Krankenzimmer brachte. Er hatte jetzt ein Zimmer und keine Zelle mehr: einen schmalen Raum mit hohen vergitterten Fenstern und eine Tür mit einem Guckloch. Die Tür war von außen verschlossen; offensichtlich waren die Ärzte immer noch vorsichtig, was seinen Zustand anging. Die Schwester blickte durch das Guckloch und lächelte. Sie winkte Harry zu sich. Er folgte ihrem Beispiel und sah in den Raum. Jordan ging in dem Zimmer auf und ab, die Hände auf dem Rücken verschränkt. Harry klopfte, und Trevor blieb sofort stehen und sah auf. Sein Gesichtsausdruck zeigte jetzt wieder Leben. Er blickte aufmerksam und erwartungsvoll drein.
»Harry, bist du das?«
»Ja, ich bin es«, antwortete der Necroscope. »Einen Moment noch.«
Die Schwester schloss die Tür auf, und die drei betraten den Raum. Sie wartete draußen.
Trevor nahm Darcys Hand und schüttelte sie; er klopfte Manolis freudig auf den Rücken und stand dann stocksteif da und lächelte, während er
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