ENTSEELT

Harry begrüßte: »Wir haben den Necroscopen also wieder zurück im Team, was?«
    »Für den Augenblick.« Harry erwiderte das Lächeln. »Du hast uns einen Schrecken eingejagt, Trevor. Wir dachten, dein Verstand habe sich verabschiedet.«
    Darcy Clarke war nach dem anfänglichen Handschlag unauffällig ein wenig zurückgewichen. Jetzt murmelte er: »Entschuldigt ihr mich für einen Augenblick?« Er ging in den Flur hinaus, und Manolis folgte ihm sofort. Darcy lehnte sich auf dem Flur neben der Schwester an die Wand. Sein Gesicht war leichenblass.
    »Was ist los?«, zischte Manolis. »Diesen Blick habe ich schon mal bei dir gesehen.«
    »Ruf Harry da raus!«, drängte Darcy. »Sofort!«
    Die Schwester blickte bestürzt drein, aber Darcy legte einen Finger auf die Lippen und sorgte dafür, dass sie schwieg.
    »Harry!« Manolis’ Stimme war völlig ruhig, als er sich in den Raum lehnte. »Kannst du mal einen Augenblick hierhin kommen?«
    »Ist das okay?« Harry hob eine Augenbraue und blickte Trevor fragend an.
    »Kein Problem.« Trevor schüttelte den Kopf und lächelte auf eine seltsam wissende Art.
    Harry ging zu den anderen. »Was ist los?«
    Darcy schloss die Tür und drehte den Schlüssel um. Er blickte Harry an, und sein Adamsapfel zuckte. »Irgendetwas stimmt da nicht!«, sagte er. »Da ist was faul mit ihm. Sogar oberfaul!«
    Harrys mitfühlende Augen musterten sein verzerrtes, zuckendes Gesicht. »Deine Gabe?«
    »Ja. Das fühlt sich nicht an wie Trevor. Es sieht aus wie er, aber es fühlt sich nicht so an. Nicht für meinen Schutzengel. Meine Gabe gestattet es mir nicht, mich da drin aufzuhalten.«
    »Harry?« Trevors Stimme drang von der anderen Seite der Tür zu ihnen herüber. »Worauf wartest du? Ich muss dir etwas erzählen, aber nur dir. Können wir uns miteinander unterhalten, nur du und ich, von Angesicht zu Angesicht?«
    Manolis reagierte sehr schnell. Er zeigte der Schwester seine Polizeimarke und warnte sie erneut, keinen Laut von sich zu geben, indem er wie Darcy zuvor den Finger auf die Lippen legte. Dann zog er seine Beretta und reichte sie Harry. »Lass die Tür hinter dir offen. Wir bleiben direkt hier stehen!«
    »Aber«, sagte Darcy mit zitternder Stimme, »wird ihn das aufhalten?« Er deutete auf die Pistole in Harrys Hand.
    Harry nickte. »Er ist ja kein Vampir«, sagte er. Er steckte die Waffe in die Innentasche seines Jacketts, entriegelte die Tür und trat ein.
    Jordan hatte sich in einem Sessel niedergelassen. Ein weiterer Sessel stand ihm gegenüber, und er bedeutete Harry, dort Platz zu nehmen. Harry setzte sich, aber er blieb auf der Hut. Er ließ den anderen Mann keine Sekunde aus den Augen. »Also, hier bin ich. Was ist denn so wichtig, Trevor?«
    »Auf einmal bist du nicht mehr so besorgt um mich, Harry.« Er lächelte immer noch dieses unerklärlich wissende Lächeln. Harry bemerkte, dass er die Worte ganz langsam und sorgfältig formulierte, damit er sie auch richtig aussprach.
    In diesem Augenblick erriet der Necroscope, wo Jordans Problem lag, und beschloss, seine Theorie sofort zu überprüfen. »Sicher mache ich mir Sorgen um dich«, er zwang sich zu einem Lächeln. »Du glaubst gar nicht, wie sehr! Trevor, kannst du dich daran erinnern, wie ihr Leute im E-Dezernat Harry junior genannt habt, als ihr damals auf ihn aufpassen musstest?«
    Der seltsame, fast provozierende Zug verschwand aus Trevors Gesicht. Seine Miene verlor einen Augenblick jeden Ausdruck, aber nur für ein oder zwei Sekunden. Dann kam das Mienenspiel zurück. »Aber natürlich. Wir haben ihn den Chef genannt!«
    »Das stimmt.« Harry nickte und griff nach der Waffe in seiner Tasche. »Aber du hast viel zu lange gebraucht, um dich daran zu erinnern. Du warst doch derjenige, der sich immer so liebevoll um ihn gekümmert hat. Und das ist nichts, über das du lange nachdenken oder weswegen du jemand anderen fragen müsstest, wenn du DU wärst.«
    Als die Waffe zum Vorschein kam, reagierte Jordan. Vorher waren seine Bewegungen genauso langsam gewesen wie seine Sprache, aber jetzt bewegte er sich flink und ruckartig wie ein Chamäleon, bevor die Zunge zum tödlichen Hieb hervorschnellt. Janos hatte Jordans Verstand fest im Griff. Seine linke Hand griff blitzschnell nach Harrys Kehle, während die rechte auf Harrys Waffenhand herunterfuhr und sie wieder in die Jacke rammte.
    Die Reflexe des Necroscopen übernahmen die Kontrolle. Noch während sich Jordan aus dem Stuhl erhob, trat Harry ihn heftig zwischen die