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ENTSEELT

ENTSEELT

Titel: ENTSEELT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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ihm in den Weg stellte, und riss die Vorhänge und die Schleier vor seinem innersten Selbst davon. Da war Harrys ganze Vergangenheit, all seine Lieben und all seine Feindschaften, seine Hoffnungen und Erwartungen, und über all das trampelte der Vampir hinweg in seinem marodierenden Ansturm durch die bisher geheimen Korridore des Unbewussten. An jedem dieser Orte hätte das Monster innehalten, spielen, Harry zum Lachen oder zum Weinen – oder auch zu Tode – bringen können. Aber weil er begriff, dass Harry jetzt tatsächlich nackt und bloß vor ihm lag, hielt er nicht inne, sondern stürmte weiter voran.
    WAS? WAS?, lachte er schließlich, als er an einen Ort kam, der besser versperrt war als alles davor. NUN, DAS MUSS JETZT DIE SCHATZKAMMER SEIN. WELCHE UNGEHEUERLICHEN SCHÄTZE SIND DENN DA GELAGERT, HARRY KEOGH? SIND DIES DIE GEWÖLBE, IN DENEN DEINE FÄHIGKEITEN AUFGEHOBEN SIND?
    Und bevor Harry noch antworten konnte – wenn er denn hätte antworten wollen –, zwängte Janos zwei der Türen auf.
    Hinter einer von ihnen war das absolute NICHTS, so dass Janos einen Augenblick lang am Rand des Möbius-Kontinuums schwankte. Und hinter der anderen ... da hockte Faethor Ferenczy und orchestrierte Harrys Spiel und versetzte Janos jetzt in grenzenlose Panik.
    Der Eindringling schreckte zurück – zu gleichen Teilen vor Faethor, der jetzt aus seinem Versteck herauskam und mit heftigen Stößen versuchte, seinen unliebsamen Sohn durch das Tor in die Ewigkeit zu stoßen, und vor dem Möbius-Kontinuum. Janos schnaufte vor Schreck, Erstaunen und schierem Unglauben. Denn in einem zum überwiegenden Teil menschlichen Individuum war er nicht nur über ein unbegreifliches und erschreckendes Konzept gestolpert, sondern auch über den grausigen und fremdartigen Geist seines eigenen, seit langer Zeit verstorbenen Vaters.
    Die Furcht ließ ihn erstarren. Er riss sich von Faethor los, spie ihm eine Flut von unzusammenhängenden Obszönitäten entgegen und floh. Er bahnte sich einen Weg aus Harrys Unterbewusstsein und war augenblicklich verschwunden. Er hatte keinen echten Schaden angerichtet, und der Necroscope vermutete, dass er nie wieder einen solchen Versuch wagen würde. Aber ...
    »Faethor!« Harrys mentale Stimme war so scharf und schrill wie alte Kreide auf einer neuen Schiefertafel, doch es war jetzt seine eigene Stimme, nicht länger beeinflusst und geführt durch den Geist seines heimlichen Mitbewohners. »Faethor!«
    Es erfolgte keine Antwort, außer vielleicht ein fernes, schwaches Glucksen, wie Ölblasen, die auf einem Teersee zerplatzen. Oder wie das verstohlene Rauschen von Fledermausflügeln in der tiefsten, dunkelsten Höhle.
    »Du verfluchter Mistkerl ... du Lügner!«, stöhnte Harry. »Du bist hier drin. Du bist in mir gewesen seit dem Augenblick, an dem ich dich eingelassen habe! Aber ich kann dich finden, dich hinauswerfen!«
    Schließlich kam doch noch eine Antwort: Das ist nicht nötig, mein Sohn, erklang Faethors fernes, kränkliches Wispern. Die erste Schlacht ist geschlagen und gewonnen; die Sonne geht auf; ich ... verabschiede ... mich!
    Danach erwachte Harry langsam und fröstelnd aus seinen Träumen. Der Schweiß auf seiner Haut war bereits getrocknet, als er den Schlaf ganz hinter sich gelassen hatte und Darcy Clarke an seine Tür klopfte und etwas von Frühstück murmelte. Da hatte er bereits einen Plan, wie er meinte, die Geschichte zu Ende bringen zu können ...
    Um Viertel nach acht war die Stadt Rhodos gerade erst erwacht, aber Harry war bereits unten an einem Pier im Hafen von Mandraki, um seine Freunde zu verabschieden. Darcy und Manolis winkten mehrmals, als ihr Boot auf die unglaublich blaue Fläche der Ägäis hinaussteuerte, aber er winkte nicht zurück. Er nickte nur und sah zu, wie ihr Boot außer Sicht glitt. Lautlos wünschte er ihnen Glück.
    Dann fuhr er zum Strand von Kritika hinaus und schwamm eine Stunde im Meer, bevor er ins Hotel zurückkehrte und duschte. Selbst nachdem er sich heftig trocken gerubbelt hatte, und trotz der Tatsache, dass es in der Sonne mindestens 30 Grad waren, war ihm immer noch kalt. Die Kälte, die er verspürte, hatte nichts mit den Außentemperaturen zu tun. Sie kam von innen.
    Harrys Bett war frisch gemacht; er legte sich darauf, verschränkte die Arme im Nacken und dachte eine Weile nach, dann leerte er langsam seinen Verstand, ließ sich treiben ...
    ... und stieß auf Faethor hinab!
    Er erwischte ihn noch in seinem Kopf, bevor er sich davonstehlen

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