ENTSEELT
kahlen Felsen von Alimnia und Makri hindurchgefahren, und Chalki (von dem Manolis behauptete, es müsse eigentlich ›Khalki‹ heißen, wegen der Kalkfelsen) kam in Sicht.
Eine Viertelstunde später lagen sie vertäut im Hafen, und Manolis plauderte mit ein paar wettergegerbten Fischern, die ihre Netze flickten. Während er so ganz beiläufig Informationen sammelte, kaufte Darcy eine Karte in dem winzigen Kiosk direkt an der Mole und studierte die Topographie der Insel, so gut es ihm möglich war. Es gab nicht viel zu studieren.
Die Insel war ein großer Felsen von zirka zwölf mal sechs Kilometern, wobei die Längsachse von Ost nach West verlief. Wenn man zwei oder drei Kilometer nach Westen ging, stiegen Bergkuppen wild und einsam in die Höhe, zwischen denen sich die einzige Straße der Insel im Zickzack hindurchschlängelte. Darcy wusste, dass sein und Manolis’ Ziel dort oben lag, in den Bergen am Ende der Straße. Er brauchte nicht einmal die Karte, um das zu wissen: Seine Gabe flüsterte es ihm zu, seit er an Land gegangen war.
Schließlich kam Manolis wieder zu ihm, nachdem er sein Gespräch mit den Fischern beendet hatte. »Es gibt keine Möglichkeit, dahin zu fahren«, sagte er. »Es sind vielleicht drei Kilometer, dann der Aufstieg, und natürlich müssen wir unseren – wie sagt man? – unseren Picknickkorb tragen? Es sieht so aus, als würde uns ein langer, heißer Marsch bevorstehen, mein Freund. Und die ganze Zeit geht es bergauf.«
Darcy sah sich um. »Na, und was ist das da, wenn es kein fahrbarer Untersatz ist?«, sagte er. Ein dreirädriges Gefährt, das schnaufte wie eine Dampfmaschine und einen Anhänger hinter sich her zog, klapperte aus einer schmalen Gasse heraus und parkte im »Stadtzentrum«, wie sich die Mole mit den Tavernen und Kneipen nannte.
Der Fahrer war ein kleiner, schlanker Grieche um die fünfundvierzig; er stieg ab und ging in einen Gemischtwarenladen. Darcy und Manolis warteten auf ihn, bis er wieder herauskam. Sein Name war Nikos; er besaß eine Taverne mit Gästezimmern an einem Strand auf der anderen Seite der Hügel jenseits der Stadt. Zurzeit war nicht viel los, und für eine kleine Entlohnung konnte er sie bis ans Ende der Straße hochbringen. Als Manolis eine Summe von tausendfünfhundert Drachmen erwähnte, leuchteten seine Augen gierig auf, und nachdem er seinen Fisch, den Schnaps und die anderen Einkäufe für seine Taverne aufgeladen hatte, fuhren sie los.
Auf der Ladefläche des Karrens zu sitzen, war nur unwesentlich besser, als zu laufen. Nikos hielt zwischendurch an, um die Vorräte bei seiner Taverne abzuladen und seinen Passagieren ein paar Bierflaschen zu öffnen, dann fuhren sie weiter.
Nach einiger Zeit, als Darcy gerade wieder versucht hatte, eine bequemere Position zu finden, die ihn das Geholper nicht so sehr spüren ließ, nahm er einen Schluck Bier und fragte dann: »Was hast du rausgefunden?«
»Es sind zwei«, antwortete Manolis. »Sie kommen abends herunter, um Fleisch zu kaufen – nur rohes Fleisch, keinen Fisch – und manchmal trinken sie auch noch eine Flasche Rotwein. Sie bleiben zusammen, reden nicht viel und kochen für sich oben in ihrem Lager ... falls sie kochen!« Er zuckte mit den Schultern und sah Darcy aus zusammengekniffenen Augen an. »Sie arbeiten in erster Linie nachts; wenn der Wind günstig steht, hören die Leute manchmal ihre Sprengungen. Nichts Großartiges, nur kleine Explosionen, um die Steine und das Geröll zu lockern. Am Tag sieht man sie nicht sehr oft. Sie hängen irgendwo da oben in den Höhlen herum.«
»Was ist mit Touristen?«, fragte Darcy. »Stellen die nicht ein Risiko für die beiden dar? Wie kann Lazarides – beziehungsweise Janos – damit durchkommen? Ich meine, wie kann er so einfach hier in den Ruinen buddeln? Ist eurer Regierung eigentlich alles egal? Das ist doch eure Geschichte!«
Wieder zuckte Manolis mit den Achseln. »Anscheinend hat der Vrykoulakas Freunde. Außerdem graben sie genau genommen gar nicht in den Ruinen. Unter dem Schloss oben auf der Anhöhe fällt die Felswand sehr steil ab. Darunter gibt es Felsvorsprünge und Höhlen. Da graben die beiden. Die Leute im Dorf halten sie für irre. Da sollen Schätze verborgen sein? Da gibt es nur Staub und Felsen, mehr nicht.«
Darcy nickte. »Aber Janos weiß das wohl besser, nicht wahr? Es ist doch ganz einfach, wenn er die Sachen vergraben hat, dann sollte er auch wissen, wo er danach suchen muss.«
Manolis musste zustimmen. »Was die
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