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ENTSEELT

ENTSEELT

Titel: ENTSEELT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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Lagers. Harry kannte ihn nicht ... oder hatte er ihn doch schon mal gesehen? Jetzt, wo er darauf aufmerksam gemacht wurde, erinnerte er sich. Der Mann war mit ihm im Flugzeug gewesen. Und ... auch in Mezõberény? Möglich. Diese Zigarettenspitze war ein untrügliches Kennzeichen. Und diese ganze aalglatte, feminine Ausstrahlung. Jetzt fiel Harry auch seine frühere Begegnung mit der Securitate in Rumänien ein. War dieser Mann ihr Kontaktmann auf Rhodos? Vielleicht ein Agent des russischen E-Dezernats?
    Er warf dem Zigeuner an seiner Seite einen Blick zu. »Ein Feind – möglicherweise.« Aber dann sah er das Messer in der Hand des anderen und blickte ihn fragend an. »Häh?«
    Der Zigeuner lächelte, aber ohne eine Spur von Humor. »Die Szgany mögen keine heimlichen Beobachter.«
    Harry fragte sich jedoch, ob das Messer für ihn bestimmt gewesen war, falls er jetzt einen Fluchtversuch unternommen hätte. Eine Drohgebärde, um ihn gefügig zu machen? »Und was jetzt?«, fragte er.
    »Wart’s ab!«
    Ein Zigeunermädchen in einem bunten Kleid und mit leuchtendem Schultertuch ging über die Straße zu dem Wagen hinüber, und Nikolai Zharov setzte sich hinter dem Lenkrad auf. Sie hielt ihm einen Korb mit Modeschmuck und Tand entgegen und sprach ihn an. Aber er schüttelte den Kopf. Dann zeigte er ihr einige Geldscheine und stellte ihr ein paar Fragen. Sie nahm das Geld, nickte eifrig mit dem Kopf und zeigte in den Wald. Zharov runzelte die Stirn und fragte sie erneut etwas. Sie wurde eindringlicher, stampfte mit dem Fuß auf und zeigte wieder in die Richtung von Gyula, den Waldweg entlang.
    Schließlich grummelte Zharov etwas, nickte und ließ den Wagen an. Als er wegfuhr, hinterließ er eine Staubwolke. Harry drehte sich zu dem Zigeuner um. »Es war also wirklich ein Feind. Und das Mädchen hat ihn in die falsche Richtung geschickt.«
    »Ja. Und jetzt machen wir uns auf den Weg.«
    »Wir?« Harry starrte ihn immer noch an.
    Der Mann steckte sein Messer weg. »Wir Zigeuner«, sagte er. »Wer sonst? Wenn du nicht geschlafen hättest, hättest du mit uns essen können. Wir haben dir aber eine Portion Suppe aufgehoben.«
    Ein anderer Mann kam mit einer Schüssel und einem hölzernen Löffel auf sie zu und bot Harry die Sachen an.
    Harry sah das Essen an.
    Tu es nicht!, erklang eine Stimme in einem Kopf. Die Stimme des toten Zigeunerkönigs.
    Ist das vergiftet? Wollen deine Leute mich umbringen?
    Nein, sie wollen dich für ein oder zwei Stunden ruhig stellen. Wenn du die Suppe isst, wirst du so lange schlafen!
    Und? Ist mir danach schlecht?
    Nein. Vielleicht ein leichter Kopfschmerz, den aber ein Schluck frisches Wasser wieder vertreiben wird. Aber wenn du die Suppe isst ... dann ist alles verloren. Dann bringen sie dich über die Grenze, in diese zeitlosen Hügel und verwitterten Berge – die, wie du weißt, dem alten Ferenczy gehören!
    Aber Harry lächelte nur und grunzte zufrieden. So sei es , sagte er und aß die Suppe.
    Nikolai Zharov fuhr bis nach Gyula und mitten in den Ort hinein, bevor er schließlich einer nagenden Stimme in seinem Hinterkopf Gehör schenkte: der Stimme, die ihm mit jedem verstreichenden Augenblick deutlicher zu verstehen gab, dass er ein Trottel sei! Schließlich wendete er und fuhr wutentbrannt die Strecke zurück, die er gekommen war. Wenn Keogh nach Gyula gekommen war, dann konnte er das später noch überprüfen. Aber wenn dieses Zigeunermädchen gelogen hatte ...
    Das Zigeunerlager war leer, als wäre das fahrende Volk nie da gewesen. Zharov fluchte, bog nach links auf die Hauptstraße ab und gab Gas. Vor sich sah er den ersten der Zigeunerkarren gemächlich den Grenzkontrollpunkt passieren.
    Er kam mit quietschenden Reifen an, sprang aus dem Wagen und rannte direkt in den einzigen Raum des hüttenähnlichen Gebäudes. Der Grenzpolizist hinter seinem Schreibtisch grabschte hastig nach seiner Uniformmütze und zog sie sich auf den Schädel. Er funkelte Zharov an, und der Russe starrte wütend zurück. Hinter den staubigen Fenstern passierte gerade der letzte Wagen die hochgezogene Schranke.
    »Was soll das?«, brüllte der Russe. »Sind Sie übergeschnappt? Was sind Sie, Ungar oder Rumäne?«
    Sein Gegenüber war jung, mit einem beachtlichen Bauch und geröteten Wangen. Ein transsilvanischer Bauer, der zur Securitate gegangen war, weil das ein angenehmeres Leben war als die Arbeit auf dem Feld. Man bekam zwar nicht viel Geld, aber wenigstens konnte man dann und wann ein paar Leute

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