ENTSEELT
ausstrecke und nach der Samothraki taste, dann spüre ich so etwas wie einen wabernden Dunst in meinem Kopf. Aber weswegen tritt das an einem Ort wie dem hier auf? Das ist seltsam. Und es ist nicht auf das Boot beschränkt, sondern irgendwie kommt es von überall!«
Jordan sah ihn an. »Wann hatten wir das letzte Mal mit anderen ESPern zu tun?«
»Beruflich, meinst du? So ziemlich jedes Mal, wenn wir in einer Botschaft gearbeitet haben, würde ich sagen. Worauf willst du hinaus?«
»Kann es sein, dass auf diesen Fall noch andere Agenten angesetzt sind? Die Russen, oder vielleicht die Franzosen?«
»Es könnte sein.« Jetzt grübelte Layard. »Der Drogensumpf in Russland wird täglich größer, und die Franzosen stecken schon seit Jahren bis zum Hals darin. Aber ich dachte eher an die andere Seite. Ich meine, was ist, wenn die Drogenbosse jetzt selbst ESPer einsetzen? Geld genug haben die zweifellos!«
Jordan hob sein Fernglas an die Augen, drehte den Kopf und musterte die Küstenlinie vom Kastell auf der Mole bis zur Altstadt hinter ihren massiven Stadtmauern. »Hast du versucht, den Ursprung zu finden?«, fragte er. »Ich meine, schließlich bist du der Lokalisierer. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, die Quelle liegt da drüben.«
Layards scharfe Augen folgten der Richtung von Jordans Fernglas. Eine große, weiße, teuer aussehende Motorjacht schaukelte an ihrem Anker in Mandrakis schmaler Tiefwasserrinne; dahinter lagen ein paar Barkassen im flachen Wasser vertäut oder kamen gerade wieder vom Meer herein. Auf den meisten von ihnen drängten sich die Touristen. Noch einen halben Kilometer weiter, und auf den Straßen und Marktplätzen brummte das pralle Leben. Oberhalb des Hafens schmorte ein Hügel mit einer Menge Kirchen und weißen und gelben Häusern in der Morgensonne. Wenn nicht überall Bewegung gewesen wäre, hätte es sich um eine Kitschpostkarte handeln können, so perfekt war die Szenerie.
Layard starrte geraume Zeit dort hinüber, dann schnipste er mit den Fingern, ließ sich zurücksinken und grinste. »Das ist es!«, meinte er schließlich. »Du hast vollkommen recht.«
»Was?« Jordan sah ihn an.
»Für dich muss es viel schlimmer sein als für mich. Ich finde die Dinge nur. Ich lese keine Gedanken.«
»Würdest du das bitte erklären?«
»Was gibt es da zu erklären?« Layard grinste selbstgefällig. »Du hast genau die gleiche Karte der Altstadt wie ich. Nur hast du sie dir wahrscheinlich nicht angesehen. Na gut, ich werde dich aus deiner Unwissenheit erlösen. Da oben auf dem Hügel ist eine Nervenheilanstalt.«
»Was?« Dann fiel der Groschen. Jordan legte das Fernglas weg und schlug sich aufs Knie. »Das muss es sein! Wir empfangen die Rückkopplungen von all den armen Teufeln da oben in der Klapse!«
»Ja, so sieht es wohl aus«, nickte Layard. »Und jetzt, wo wir wissen, was uns behindert, sollten wir versuchen, es auszublenden und uns auf unseren Job zu konzentrieren.« Er sah durch die Hafeneinfahrt auf die See hinaus und wurde mit einem Schlag ernst. »Zumal es so aussieht, als käme die Samothraki ein wenig früher als erwartet.«
»Ist sie da draußen?« Jordan war sofort hochkonzentriert.
»Höchstens noch fünf oder zehn Minuten«, nickte Layard. »Ich habe sie gerade aufgefangen. Und ich wette mir dir, sie geht um spätestens Viertel nach vor Anker.«
Beide Männer konzentrierten sich jetzt intensiv auf die Hafeneinfahrt und so entging ihnen die plötzliche hektische Betriebsamkeit an Bord der Luxusjacht. Eine überdachte Barkasse brachte eine kleine Gruppe von einer schmalen Treppe an der Hafenmauer hinüber, und zwei Männer bestiegen das schlanke, weiße Schiff, das kurz darauf Anker lichtete. Mächtige Turbinen pulsierten, als sie sich fast um die eigene Achse drehte und elegant die Fahrrinne entlangglitt. Eine schwarze Markise mit exotisch bestickten Bordüren beschattete das Vorderdeck, wo eine schwarz gekleidete Gestalt jetzt in einem der Deckstühle lag. Ein groß gewachsener Mann in Weiß stand an der Reling und schaute zur Hafeneinfahrt hinüber. Er trug eine schwarze Augenklappe über dem rechten Auge.
Die Motorjacht war jetzt direkt vor ihnen, und die Turbinen stampften gemächlich vor sich hin, während das Boot abwartend in der Fahrrinne tuckerte, aber die Aufmerksamkeit der ESPer galt etwas anderem. Sie hatten jetzt beide ihre Ferngläser vor den Augen. Jordan war aufgestanden und lehnte an der Hafenmauer, als die Samothraki um die Mole
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