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Entsorgt: Thriller (German Edition)

Entsorgt: Thriller (German Edition)

Titel: Entsorgt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph D'Lacey
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eingedrungen, ohne dass er sie irgendwie dazu aufgefordert hätte. Sie stand vor seiner Tür und machte keinerlei Anstalten, von dort zu verschwinden, während ihre Miene wechselte: von leichter Belustigung über bloße Schüchternheit hin zu Besorgnis um ihre Sicherheit in der Gegenwart dieses Mannes. Er bemerkte, wie sie sich umsah. Vermutlich, um herauszufinden, ob sich jemand in Rufweite befand, oder um nach einem geeigneten Fluchtweg zu suchen …
    »Ich weiß noch, wie Sie hier eingezogen sind. Es war mein elfter Geburtstag. Ich habe gesehen, wie Ihr verbeultes altes Wohnmobil vorfuhr, und dann habe ich beobachtet, wie Sie ausstiegen. Sie sahen aus, als wären Sie ein Landstreicher oder ein Zigeuner oder so was. Ich bin von meinem beschissenen Fahrrad gefallen, während ich mir den Hals nach Ihnen verrenkt habe. Das einzige Mal, dass ich an meinem Geburtstag geheult habe.«
    »Es werden noch andere Geburtstage kommen«, antwortete er unsicher … ihm war nicht klar, was er damit genau beabsichtigte. Aber er wusste, dass es nach hinten losging.
    »Also gut«, sagte das Mädchen, »ich merke schon, dass es gerade ungünstig ist. Ich komme ein andermal wieder.«
    Als sie sich abwandte, um zu gehen, flammten alle möglichen Ängste in ihm auf, zwangen ihn zu handeln. Er öffnete die Tür und steckte seinen Kopf hinaus. Sie hatte bereits die Ecke des Hauses erreicht.
    »Warte.«
    Sie drehte sich wieder zu ihm um.
    »Ich meine … tut mir leid.« Erinnerungen an das Scheitern unzähliger zwischenmenschlicher Begegnungen kamen hoch. »Ich hab im Moment einfach den Kopf ziemlich voll. Wie heißt du?«
    »Aggie Smithfield. Ich wohne gleich die …«
    »Ich weiß, wo du wohnst«, fiel er ihr ins Wort und merkte im selben Augenblick, dass das wohl eher nach einem Psychopathen als nach einem vorbildlichen Nachbarn geklungen haben dürfte. Rasch streckte er ihr seine Hand entgegen, die ausnahmsweise einmal nicht vor Schmutz starrte.
    »Ich bin Mason.«
    Er sah, wie sie zögerte. Da war etwas in ihren Augen, eine Not, die er nicht zu entschlüsseln vermochte, welche sie all ihre offensichtlich vorhandenen Skrupel über Bord schmeißen ließ. Sie kehrte zurück, energisch genug, ihn innerlich bereits den Rückzug antreten zu lassen. Ihr die ausgestreckte Rechte weiter entgegenzuhalten, kostete ihn richtiggehend Kraft. Bevor er kapitulieren konnte, griff sie zu und schüttelte seine Hand mit erwachsener Formalität.
    »Nett, Sie kennenzulernen«, sagte sie, und er hatte das Gefühl, dass sie es aufrichtig meinte. Nicht wie die Leute, denen er in London begegnet war. Sie war zu jung, um ihn zu hassen, zu beneiden oder auszunutzen.
    Ihm fiel auf, dass er immer noch ihre Hand hielt, und ließ sie auf der Stelle los. Er war schon viel zu oft kurz davor gewesen, eine so einfache – nein, daran war nichts einfach – Begegnung zu vermasseln.
    »Ich wollte bloß mit Ihnen sprechen«, erklärte sie. »Nur für fünf Minuten. Kann ich reinkommen?«
    Keine Regung seinerseits.
    Sie deutete mit dem Kopf über den Gartenzaun Richtung Müllkippe.
    »Ich hätte nichts dagegen, hier draußen zu quatschen, aber«, sie rümpfte die Nase, »der Wind bläst aus der falschen Richtung.«
    Sie hatte Recht, doch ohne ihre Bemerkung wäre ihm das gar nicht aufgefallen. Ihn störte der Gestank der Deponie nicht. Mehr als das: Er empfand ihn als angenehm.
    »Natürlich. Entschuldige.«
    Er trat zur Seite und öffnete zum ersten Mal, seit er vor sechs Jahren hier eingezogen war, einer Fremden – überhaupt einem Menschen – die Hintertür seines Hauses.
    Einen Augenblick lang stand er bloß da und fragte sich: Was jetzt? Wo sollten sie sich hinstellen, oder sollten sie sich vielleicht lieber setzen? Was sollte er ihr anbieten? Oder war das zu forsch, zu sehr, als ob … was auch immer? Er sah seine Küche mit ganz anderen Augen, ihren Augen, und erkannte, dass sie sich vermutlich gerade nicht bloß ein Bild vom Zustand seines Heims, sondern auch dem seines Geistes machte. Das passiert, wenn man Fremde ins Haus lässt.
    Ein kurzer Moment verstrich, dann flüchtete er sich in ein hilfloses Lachen, weil er einfach nicht weiterwusste.
    »Was?«
    »O Gott«, sagte er, sich endlich ein klein wenig entspannend. »Ich bin ziemlich …«
    »… an die eigene Gesellschaft gewöhnt?«
    Er lachte erneut. Sie hatte ihn durchschaut, und plötzlich schämte er sich nicht einmal. Nicht vor ihr. Sie ging so selbstverständlich damit um.
    »Ja, genau. So ist es.

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