Entsorgt: Thriller (German Edition)
Du bist nicht in der Oberstufe.«
»Ich bin krankgeschrieben.«
»So krank siehst du aber gar nicht aus.«
»Mir geht’s ja auch besser, weil ich beim Arzt war.«
Das war zwar die Wahrheit, klang aber sehr frech. Er bereute es auf der Stelle.
Sie musterte ihre Gesichter eingehender. So schnell würde sie nicht aufgeben.
»Ihr habt geraucht, hab ich Recht?«
Die Frage war eher an Don als an die Mädchen gerichtet. Aggie antwortete rasch, um ihrem Bruder zuvorzukommen.
» Wir haben geraucht«, sagte sie und deutete auf sich und Moira.
»Wir sind siebzehn, wir dürfen also rauchen. Er raucht nicht, das kann er sich gar nicht leisten. Davon abgesehen ist er zu jung dafür.«
»Verantwortungslose Gören. Wie kann man sich nur so gehen lassen? Ist euch euer … Körper denn völlig egal?«
Dieses kurze Zögern reichte aus, um die Niederlage von Frau Blockwart zu besiegeln. Denn dadurch hatte sie ihnen verraten, dass sie gar nicht von ihren »Körpern« sprach. Sie sprach von ihrer Zeugungsfähigkeit. Sie sprach von Sex. Das war ein Fehler.
»Was wollen Sie damit sagen?«, fragte Aggie.
»Ich will damit sagen, dass es ungesund für euch ist. Ihr solltet es sein lassen.«
Aggie ging in die Offensive.
»Was haben Sie mit unseren Körpern am Hut, Mrs. Ahern? Warum interessieren Sie sich für die Körper Ihrer Schülerinnen?«
Frau Blockwart zog ihren aggressiv vorgereckten Kopf zurück und richtete sich auf. Sie ging auf Abstand.
»Ich bin bloß um eure Gesundheit besorgt, Mädchen.«
»Wissen Sie denn nicht, dass es unschicklich ist, mit Kindern über ihre Körper zu sprechen, Mrs. Ahern? Wissen Sie, wie man das nennt? Moira, sag du ihr doch mal, wie man das nennt.«
Moira lächelte boshaft.
»Sexuelle Belästigung«, sagte Moira. »Ja, sexuelle Belästigung nennt man das.«
»Sexuelle Belästigung«, wiederholte Aggie. »Dafür könnten Sie verknackt werden.«
Frau Blockwarts Mission brach in sich zusammen.
»Ihr tut mir wirklich leid«, sagte sie. »Ihr spaziert Arm in Arm mit der Sünde durch diese Welt, dem Satan zum Wohlgefallen. Sie könnte das Paradies sein, der Himmel auf Erden, und ihr würdet es nicht einmal bemerken.«
»Ich denke, Sie sollten jetzt gehen, Mrs. Ahern. Sie machen meinem kleinen Bruder Angst. Ist Ihnen klar, dass er noch nicht einmal sechzehn ist? Ihre Beleidigungen und Unterstellungen könnten einen ernsthaften seelischen Schaden bei ihm anrichten. Möglicherweise muss er in Therapie. Dann müsste er dort allen von Ihnen erzählen.« Sie sah ihren Bruder an. »Das würdest du doch … oder, Donald?«
Sie besaß mehr Macht über ihn als Frau Blockwart. Sie würde ihm das Leben zur Hölle machen, wenn er ihr nicht zur Seite stand. Also nickte er, und der Konter war komplett. Einem letzten Versuch konnte Frau Blockwart allerdings nicht widerstehen. So sanft, wie es ihr möglich war, und all ihre Energie dafür aufwendend, sich ihre Zerknirschtheit nicht anmerken zu lassen, sagte sie:
»Warum kommt ihr diesen Sonntag nicht in die Kirche, ihr drei? Mal eine andere Perspektive wagen?«
»Warum lösen Sie sich nicht in Luft auf?«, erwiderte Aggie.
Was auch immer Mrs. Ahern eigentlich hatte sagen wollen – sie presste einfach die Lippen zusammen. Fast unmerklich nickte sie und ging davon. Ihr Gang beim Rückzug war deutlich zu hastig, um es noch als »marschieren« bezeichnen zu können. Als sie außer Hörweite war, seufzten alle drei erleichtert. Aggie holte ihre Zigaretten raus und bot Moira und Don eine an. Ihn derart einzubeziehen, machte sich bezahlt. Er richtete sich zu ihrer Größe auf.
»Scheißscheinheilige Gestapo-Schlampe«, sagte Aggie.
Alle schmissen sich weg vor Lachen.
Mason ersetzte das Foto des Farmers durch eines der zehntausend anderen, die er gemacht hatte. Es war sehr ähnlich: Auf diesem starrte ein schwermütiges Model an einem Regentag durchs Fenster, ihre Finger zogen an der Gardine, so dass sie hinausschauen konnte. Er hatte es für einen Katalog mit Hippieklamotten gemacht. Das Model hatte keine Seele. Das Foto hatte keine Seele. Es war schwarz-weiß. Es war perfekt. Jetzt waren die Wände wieder mit Lügen bedeckt, nicht mehr ein einziger wahrer Augenblick in dem Puzzle aus gerahmten Bildern. Er trat zurück und lächelte.
In dieser Nacht durchquerte er erneut das Brachland zur Mülldeponie. Er kämpfte gegen die beißende Kälte an. Nachdem er durch das getarnte Loch im Zaun geschlüpft war, suchte er sich den Bereich, in dem frisches
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