Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
ENTWEIHT

ENTWEIHT

Titel: ENTWEIHT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
Vom Netzwerk:
auf; er war mit seinen Gedanken anderweitig beschäftigt.
    Was nun die Nonnen betraf: Verborgen im Schatten ihrer Hauben, glänzten ihre Augen von einer Inbrunst, die nichts mit ihrem Orden, allenfalls etwas mit einer neuen, gänzlich anderen, absolut unheiligen Seinsordnung zu tun hatte. Und auch sie waren viel zu beschäftigt, um von jemandem wie Alfonso Lefranc überhaupt Notiz zu nehmen ...
    »Luigi, denkst du, wir können reden ...?« In der Villa in Bagheria stand Garzia Nicosia am Schreibtisch seines einstigen Freundes und jetzigen Gebieters – oder vielmehr Mentors, wie Garzia seine Beziehung zu dem Vampir Luigi Castellano lieber betrachtete – und wartete geduldig auf dessen Antwort.
    Breitschultrig und hochgewachsen war Nicosia mit seiner aufrechten Haltung selbst eine imposante Erscheinung. Trotz seiner Blässe war er innerlich ebenso dunkel und düster wie die Geschichte seines Landes. Durch und durch Sizilianer, sowohl dem Aussehen als auch dem Wesen nach, war er Castellano treu ergeben und ein erbitterter Feind von dessen Gegnern. Ja, er war Castellano im wahrsten Sinne des Wortes »hörig«, was so viel hieß wie, dass seine Loyalität im Wesentlichen auf seiner Ehrfurcht vor Castellano beruhte. Darauf, auf einem grundsätzlichen Begreifen von dessen Kräften und Fähigkeiten und einem mittlerweile über fünfzig Jahre alten Versprechen, dass er diese Kräfte eines Tages teilen werde.
    Anders als Lefranc wäre es Nicosia niemals im Traum eingefallen, mit Castellano Wortspiele zu spielen; er wusste aus Erfahrung, dass man in jedweder Konversation mit diesem Mann die Ohren aufsperrte und zuhörte (und, wo machbar, gehorchte), nur die notwendigsten Fragen stellte und ansonsten keinerlei Versuch unternahm zu diskutieren, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken oder sonst einen Eindruck bei Castellano zu hinterlassen. Hin und wieder mochte es vorkommen, dass dieser um einen vernünftigen Vorschlag bat, diesen hinnahm und sogar umsetzte. Meinungsäußerungen hingegen kamen absolut nicht infrage.
    Castellano hatte einmal die Bemerkung von sich gegeben: »Ich habe die Erfahrung gemacht, dass persönliche Meinungen in der Regel nur demjenigen etwas nützen, der sie äußert. Und da ich mich ausschließlich mit Meinungen abgebe, die mir einen Vorteil bringen – also meinen eigenen – muss ich diejenigen anderer zwangsläufig mit Misstrauen betrachten. Meist verbirgt sich nur Ehrgeiz dahinter. Und ich kann Männer nicht ausstehen, die ihren Platz nicht kennen und nach Höherem streben ...«
    Im Wesentlichen war dies auch der Grund, weshalb Castellano – letzter Spross einer langen Reihe von Menschen und Monstern – überhaupt nur selten ein Gespräch mit jemandem führte. Vielmehr zog er es vor, seine Wünsche zu äußern, zu sagen, was er zu sagen hatte, und die Dinge selber in die Hand zu nehmen, indem er anderen seine Anweisungen erteilte. Ihn in seinem Gedankengang zu unterbrechen, hieß, ihn wütend zu machen. Garzia Nicosia, sein Gefährte aus Kindertagen, zählte zu der kleinen Handvoll Männer, die auf Augenhöhe mit seinem Gebieter (seinem Freund, seinem Mentor) sprechen durften. Doch auch so gab es noch genügend Fallstricke, über die man stolpern konnte, und man musste stets aufpassen, was man sagte ...
    Castellano blieb in seinem Sessel sitzen; den linken Ellenbogen auf den Schreibtisch und das Kinn in die Hand gestützt, deren Finger unablässig darüberstrichen, beugte er sich nach vorn. Nachdenklich sah er den Hörer an, der nun wieder auf der Gabel lag. Nach einigen Sekunden des Grübelns spürte er Nicosias Blick auf sich ruhen, und als er endlich registrierte, was dieser gesagt hatte, kehrte wieder Leben in ihn ein. Er sah auf, und sein brennender Blick bohrte sich in die tierhaften Augen des anderen. Mit einem Nicken sagte er: »Ja, vielleicht hast du recht: Wir sollten reden. Vor Jahren – ah, wie lange ist das eigentlich schon her, Garzia? – versprach ich dir eine Antwort auf eine bestimmte Frage, im Grunde mehrere, obwohl ich selbst noch nicht alle Antworten kannte. Ich war töricht genug anzunehmen, dass ich mit der Zeit alle Geheimnisse dieser Sache ergründen und schließlich begreifen würde, wie es funktioniert. Nun, einiges … habe ich begriffen, und manche Antworten kenne ich nun. Doch sag’ mir, Garzia – erinnerst du dich noch an die Fragen?«
    »Natürlich«, entgegnete Nicosia. »Sie lauteten wie, weshalb und zu welchem Zweck? Was ist mit morgen? Und wird es

Weitere Kostenlose Bücher