Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
hin, dass sein Kopf an der Wand lehnte und es so wirkte, als würde er gerade ein Nickerchen machen. Dann packte er mich ziemlich derb am Arm und zog mich weiter in die Bibliothek hinein.
Ich ließ mich widerstandslos von ihm mitziehen. Ich war immer noch wie in einem Film und spürte kaum meine eigenen Schritte. Er schleifte mich in den hinteren Teil der Bibliothek und öffnete schließlich eine Tür, hinter der sich ein Archiv befand. Er stieß mich in das dunkle Zimmer, trat hinterher und schloss leise die Tür hinter sich.
Ich blieb orientierungslos mitten im Raum stehen. Mein ganzer Körper zitterte, ich konnte keinen klaren Gedanken fassen und starrte angsterfüllt in die Dunkelheit. Es gab kein Fenster in dem Raum und so konnte ich nichts erkennen. Zitternd atmete ich schwer ein und zuckte zusammen, als plötzlich die Deckenbeleuchtung anging. Ich blinzelte in die Helligkeit hinein.
David stand hoch aufgerichtet mit bedrohlicher Miene vor der Tür. „Wer bist du?“, fragte er mich mit eisiger, schneidender Stimme. Seine Augen funkelten mich mit einer Kälte an, die mir Angst machte. Unwillkürlich machte ich einen Schritt zurück. Ich bekam keinen Ton heraus, starrte ihn nur verängstigt an.
„Wer bist du?“, fragte David noch schärfer.
„Ich weiß nicht, was du meinst“, stotterte ich und ging noch einen Schritt zurück. David zog finster die Augenbrauen zusammen und machte einen Schritt auf mich zu, was mich noch weiter zurückweichen ließ, bis ich an ein Regal stieß.
Zitternd drückte ich mich dagegen. David kam ganz langsam weiter auf mich zu. Sein Blick durchbohrte mich förmlich. Seine ganze Statur wirkte plötzlich alles andere als charmant. Er hatte sich vom schönen David-Bildnis in einen kriegerischen Gott verwandelt, der keinen Zweifel an seiner überirdischen Macht aufkommen ließ. Sein Anblick ließ das Blut in meinen Adern gefrieren.
„Sag mir, wer du bist“, wiederholte er erneut drängend und blieb bedrohlich aufgerichtet wenige Zentimeter vor mir stehen.
Ich dachte, mein letztes Stündlein hätte geschlagen. Angsterfüllt starrte ich in Davids eiskalte Augen und wünschte mir nur noch, er würde mich genauso hypnotisieren wie Monsieur Faubart und ich könnte mich in die Bewusstlosigkeit flüchten. Alles schien mir besser als diese Situation.
Doch nichts passierte. Ich starrte ihn nur weiterhin an. Mein ganzer Körper schien sich von mir losgelöst zu haben, denn ich spürte ihn nicht mehr. Da war kein Gefühl mehr von Hitze oder wohliger Wärme in meinem Bauch. Ich spürte nur eine unbändige Angst. Angst vor mir, vor dem unbändigen, hitzigen Wesen in mir, vor dem, was es mit mir machte, und Angst vor David, der mich ansah, als würde er mir gleich etwas Furchtbares antun.
Und dann schien, ähnlich wie damals bei dem Vorfall mit meinem Kommilitonen, auf einmal meine nicht minder abartige Steuerzentrale das Kommando zu übernehmen, denn durch meinen Kopf fuhr ein klarer, deutlicher Gedanke, der eindeutig an David gewandt war: „Lass mich in Frieden und lass mich gehen!“
Ich bemerkte wie David merklich zusammenzuckte. Wie jegliche Finsternis in seinen Zügen unverhohlener Überraschung und Unglauben wich . Fassungslos starrte er mich an. Nicht weniger als ich ihn, weil ich mir immer noch nicht erklären konnte, woher diese seltsamen eindringlichen Gedanken in meinem Inneren so unvermittelt kamen und wie es sein konnte, dass mein Gegenüber sie offensichtlich ebenfalls vernahm. Immerhin waren es nur Gedanken!
David schien sich jedoch schneller als ich von seinem Schock zu erholen. Ich beobachtete, wie sein Gesichtsausdruck sich veränderte. Wie seine Mimik wieder ernst und steif wurde. Und dann erlebte ich den ich weiß nicht wievielten nächsten Schock des Tages.
In aller Klarheit und als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, vernahm ich in meinem Kopf einen Gedanken, der definitiv nicht von mir stammte. Ich konnte nicht erklären, woher ich das wusste, aber es war mir sofort klar. Und als ich in die fesselnden, eisblauen Augen meines Gegenübers blickte, musste ich kein Genie sein, um eins und eins zusammenzuzählen und die Herkunft des Gedankens zu orten.
Er war von David. Er sa ndte mir klar und deutlich einen Gedanken. So klar und deutlich, als würde er es tatsächlich laut aussprechen, obwohl ich sah, dass sein Mund sich nicht bewegte, dennoch hallte folgende Antwort von ihm durch meinen Kopf: „Den Gefallen kann ich dir nun leider nicht mehr tun,
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