Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
nun mal eine Tatsache. Marianne und ich waren nie eng miteinander verbunden gewesen und auch wenn wir uns die letzten Wochen etwas angenähert hatten, so würde sich das im Großen und Ganzen doch nie ändern. Wir waren einfach zu verschieden.
„Das ist nicht wahr. Marianne sorgt sich sehr wohl um dich. Sie traut sich nur nicht, dich direkt zu fragen, weil du ihr gegenüber stets so abweisend bist.“
Ich warf ihm einen müden Blick zu. „Wenn du das sagst. Du kennst meine Schwester wahrscheinlich besser als ich.“
David seufzte. „Ja, ich schätze in diesem Fall stimmt das tatsächlich. Und deswegen kannst du mir glauben, wenn ich dir sage, sie macht sich Sorgen um dich. Schreib ihr doch eine Sms, von wegen du bist bei einem Freund und es geht dir gut.“ Er sah mich auffordernd an, aber ich wurde einer Antwort enthoben, weil es an der Wohnungstür klingelte. David runzelte die Stirn und wirkte kurz abwesend, dann seufzte er erleichtert auf. „Das ist unser Essen.“ Er stand auf und ging es holen.
Obwohl ich eigentlich ungern nachgab, entschied ich, dass es tatsächlich besser war, Marianne eine Nachricht zu schicken, die ihr vorgaukelte, mit mir wäre alles in Ordnung. Allerdings schrieb ich nichts von einem Freund, sondern simste ihr nur, dass ich mich ebenfalls ins Nachtleben stürzte und ihr viel Spaß für ihren Abend wünschte. Die Antwort kam prompt, was vielleicht signalisierte, dass David Recht hatte, doch Marianne wünschte mir nur ebenfalls einen schönen Abend. David, der eben zurück ins Zimmer kam, kommentierte es mit einem zufriedenen Blick. Er stellte das Essen auf den Couchtisch vor mir ab und set zte sich wieder auf den Sessel.
Ich lehnte mich im Sofa zurück und beobachtete, wie er die einzelnen Essensschachteln aufmachte. Er hatte mehr bestellt als zwei Leute essen konnten und ich hatte wieder einmal den Verdacht, dass er mich mästen wollte.
„Na, dann wollen wir doch mal sehen, was es Freitagabend im Fernsehen so zu sehen gibt.“ Er nahm die Fernbedienung und zappte durch die Kanäle. Erwartungsgemäß kam nur Schrott, bis er bei einer Folge der Simpsons hängen blieb. Er grinste mich an. „Brauchst du noch Material für deinen Aufsatz?“
Ich brachte nur ein gequältes Lächeln zustande. Die Uni kam mir gerade sehr weit weg vor. Aber mir war es eigentlich egal, was wir uns im Fernsehen ansahen, Hauptsache es lenkte mich ab. „Ehrlich gesagt habe ich noch nie die Simpsons gesehen“, gestand ich ein.
David zog gespielt entrüstet die Augenbrauen hoch. „Das ist eindeutig eine Kulturlücke. Die müssen wir schließen.“ Er ließ die Sendung laufen, schaufelte sich Essen aus den Pappschachteln auf seinen Teller, lehnte sich damit in seinen Sessel zurück und beachtete mich nicht weiter. Ich tat es ihm nach und eine Weile aßen wir schweigend und sahen dabei den Simpsons zu. Wie vermutet hatte ich keinen Hunger, aber ich zwang mich ein wenig zu essen, um keine unnötige Aufmerksamkeit auf mich zu lenken.
Doch natürlich entging David nichts. „Los, probier noch diese Teigtaschen, die sind echt lecker“, und ohne meine Reaktion abzuwarten legte er mir zwei davon auf den Teller. Ich warf ihm einen mürrischen Blick zu, den er unnachgiebig erwiderte, also fügte ich mich meinem Schicksal und verspeiste eins der Dinger. Es schmeckte in der Tat ganz lecker, weswegen ich nach einem inneren Achselzucken sogar noch das zweite aß, allerdings nicht, ohne danach David einen trotzigen Blick zuzuwerfen. Er lächelte mich an und schien zufrieden.
Schweigend sahen wir uns den Rest der Folge an und obwohl mir die Serie nicht wirklich gefiel, bemerkte ich, wie ich mich dabei langsam entspannte. Vielleicht lag es aber auch nur am Essen und der ruhigen Atmosphäre, auf jeden Fall fühlte ich mich nach einer halben Stunde wesentlich besser.
Als der Abspann lief und David mich mit der Fernbedienung in der Hand fragend ansah, da wandte ich mich ihm entschlossen zu und nickte. David hatte Recht. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich war freiwillig hierher gekommen und hatte ihm meine Verzweiflung anvertraut. Jetzt konnte ich nicht mehr zurückrudern und alles vergessen machen. Ich wollte endlich wissen, was hinter meinem seltsamen Verhalten stand und was David darüber wusste.
David schien zu verstehen, denn er machte den Fernseher aus und wirkte plötzlich genau so angespannt wie ich.
„Du wolltest mir eine Geschichte erzählen“, erinnerte ich ihn.
David nickte, allerdings mehr an sich
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