Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
es laut aussprach wurde es irgendwie realer. David hörte dem Ganzen stillschweigend zu, zeigte keinerlei Reaktion. Als ich geendet hatte, schwieg er eine ganze Zeit lang.
„Wow“, sagte er dann und verstummte wieder. Er sah mich nicht einmal an. Er starrte in die Ferne, als müsste auch er das alles erst mal verdauen.
Frustriert ließ ich den Kopf sinken. „Ja, wow. Am besten rufst du einen Arzt, dann bist du mich los. Für immer.“
„Du müsstest inzwischen wissen, dass ich dich nicht loshaben möchte“, schwang seine melodiöse Stimme sanft an mein Ohr. Ich sah ihn irritiert an. Er lächelte. Es war ein freundliches Lächeln, kein feindseliges. Es verwirrte mich.
„Jetzt weiß ich endlich, warum ich deine Gedanken nicht so einfach lesen konnte. Und warum du so außergewöhnlich bist.“ Sein Lächeln verschwand und seine Miene wurde ernst. „Jetzt ist es Zeit für meine Geschichte.“
Er sagte das so gewichtig, als würde er mir gleich das Geheimnis des heiligen Grals anvertrauen. Ich runzelte die Stirn, erwiderte aber nichts. Nun sollte er mal reden.
„Die Geschichte fängt damit an, dass es mehr auf dieser Welt gibt, als viele Menschen sich vorstellen können“, begann David zögerlich. „So gibt es auf dieser Welt normale Menschen mit ihrer beschränkten Denk-, Sicht- und Fühlweise und es gibt Wesen, die anders sind, zum Beispiel solche, die in die Gedankenwelt eines normalen Menschen eindringen können.“ Er sah mich prüfend an, wie um abzufragen, ob ich das kapiert hatte.
„So w ie du“, bestätigte ich.
„Ja, so wie ich.“
Ich verstand nicht ganz, was er mir damit sagen wollte. „Heißt das, es gibt mehrere Menschen mit deinen Fähigkeiten?“
David warf mir einen undeutbaren Blick zu. „Nein. Ich habe gesagt, es gibt Wesen, die sich von den Menschen unterscheiden.“
Ich zuckte unwillkürlich zurück. „Wie meinst du das?“
„So wie ich es sa gte.“
Ich runzelte die Stirn und starrte ihn begriffsstutzig an. David wartete ab. Er wollte wohl, dass ich das begriff. Ich schüttelte den Kopf. „Soll das heißen, du bist …“, ich konnte das nicht aussprechen, sah ihn nur hilflos an.
„Kein Mensch“, vervollständigte er meinen Satz mit einer Coolness, die nicht zu seiner Aussage passte.
„Erklär mir das“, brachte ich nur mit krächzender Stimme heraus. Vor meinem geistigen Auge erschien der dämliche Vampirfilm, den wir zusammen im Kino gesehen hatten. Ich schüttelte den Kopf, um diesen abstrusen Gedanken loszuwerden.
David saß locker in seinem Sessel, doch sein Blick verdeutlichte, dass die Sache ihm ernst war. „Ich entstamme einem alten Geschlecht von Wesen, die es seit vielen Tausenden von Jahren auf der Erde gibt. Wir haben immer schon neben den Menschen existiert und es gab Zeiten, in denen das den Menschen auch bekannt war. Doch die Geschichte der letzten tausend Jahre hat uns dazu gezwungen, dass wir uns unter den Menschen verborgen halten und uns für ihresgleichen ausgeben. Das ist sicherer, dient sowohl unserem Schutz, als auch dem der Menschheit. Im Laufe der Zeit sind die Menschen ungläubig geworden und damit misstrauisch. Sie glauben heute an die verkehrten Dinge, beten die falschen Götzen an, erkennen ihre angeborenen Fähigkeiten nicht mehr. Sie wissen nicht mal mehr, wie ihr größter Schatz funktioniert. Sie haben es verlernt, sind blind und taub dafür geworden. Mein Volk jedoch hat es nicht verlernt. Und wir nutzen dieses Wissen.“ David machte eine Pause und sah mich aufmerksam an, so als suchte er nach Zeichen von Verständnis in meinem Gesicht.
Die er nicht finden konnte, denn ich verstand nur Bahnhof. „Dein Volk?“, fragte ich ungläubig. „Du gehörst zu einem menschenfremden Volk?“ David nickte nur, doch bevor ich diese Erkenntnis verdauen konnte, lag mir ohne nachzudenken, schon die nächste Frage auf der Zunge. „Was habt ihr nicht verlernt?“
„Die Macht der Geistes“, erwiderte David bedeutungsvoll. „Der Mensch und auch mein Volk ist mit dem wohl wertvollsten Instrument der Natur ausgestattet. Dem freien, unabhängigen Geist. Dem Geist, der reflektiert, der kreativ ist, der Realität erschafft, der schöpferisch ist in jeder denkbaren Weise.“
Davids Worte schienen durch den Raum zu schweben und nachdem ihr Klang verhallt war, senkte sich Stille über das Wohnzimmer. Ich sah David an und versuchte in ihm etwas anderes zu sehen als einen Menschen. Da war immer etwas an ihm gewesen, das mir unwirklich erschienen
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