Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
mögliche Beschäftigung zu sein und selbst Davids Gesellschaft war mir dabei recht, denn ehrlich gesagt war ich gerade sehr froh , nicht alleine sein zu müssen.
Also nickte ich, ohne darauf eingehen zu wollen, dass ich später mit ihm über alles reden würde, denn das konnte ich im Moment nicht versprechen. Ich war einfach zu erschöpft, durcheinander und verunsichert, um weiter hinaus zu denken als an den jetzigen Moment. Ich wollt e für einige Augenblicke die Zeit stillstehen lassen und mich nur auf das Jetzt konzentrieren. Auf so einfache, banale Dinge wie Atmen, Essen und Fernsehschauen. David ging ohne einen weiteren Kommentar aus dem Raum und kam kurz darauf mit dem Telefon und ein paar Zetteln in der Hand wieder zurück.
„Auf was hast du Appetit? Italienisch, chinesisch, mexikanisch?“ Er hielt mir die Flyer einiger Lieferservices hin. Ich nahm sie entgegen und studierte die Speisekarten. Eigentlich hatte ich keinen Hunger, aber ich wusste, David würde darauf bestehen, dass ich etwas aß und genau genommen hatte ich ja auch seit dem Frühstü ck nichts mehr zu mir genommen.
Ich entschied mich für ein thailändisches Reisgericht. Es war leicht und es würde nicht auffallen, wenn ich nicht allzu viel davon aufaß. David bestellte und nahm mir dann meine Jacke ab, die ich immer noch trug und forderte mich auf, es mir auf dem Sofa bequem zu machen, bevo r er das Zimmer wieder verließ.
Ich sah mich um und nahm zum ersten Mal meine Umgebung wahr. Es war ein großes Zimmer, exquisit eingerichtet. Man sah sofort, dass hier jemand wohnte, der Geld hatte. Das Zimmer war aufgeteilt in eine gemütliche Sitzecke, wo ich mich gerade befand, mit zwei großen Sofas, einem Sessel, einem großen Kamin und einem riesigen Flachbildfernseher an der Wand, der fast Kinofeeling aufkommen ließ.
An der Hauswand gingen zwei große Flügeltüren auf einen Balkon, dessen Größe ich auf Grund der Dunkelheit nicht abschätzen konnte, aber ich war mir sicher, dass auch er eine herrschaftliche Größe aufweisen konnte und wahrscheinlich einen atemberaubenden Ausblick bot. Am anderen Ende des Zimmers stand ein riesiger Holztisch mit acht Stühlen, an dem elegante Diners abgehalten werden konnten. Große, moderne, abstrakte Bilder schmückten die auf Grund der hohen Decken großflächigen Wände und brachten dezente Farbakzente in dem ansonsten sehr schlicht gehaltenen Mobiliar.
Mir fiel auf, dass im ganzen Raum keinerlei persönliche Gegenstände zu sehen waren. Keine Familienfotos oder Ähnliches. Nichts, das den Bewohner dieses Zimmers irgendwie identifiziert hätte. Es war stilvoll, elegant, leicht kühl wirkend und insgesamt wie für einen Wohnprospekt zurechtgemacht und passte so eins zu eins zu David mit seinen maßgeschneiderten, eleganten, förmlichen Anzügen. Oberflächlich gesehen perfekt und dennoch nichtsaussagend, was den Inhalt anging. Distanziert und irgendwie … leblos.
Ich fragte mich, ob meine Schwester das alles schon einmal gesehen hatte. Sie wäre begeistert davon. Mir allerdings gefiel das Bibliothekszimmer, in dem ich mich das letzte Mal aufgehalten hatte, wesentlich besser. Es war heimeliger, nicht ganz so unpersönlich und oberflächlich perfekt. Was aber wahrscheinlich nur an den vielen Büchern lag, die mir ste ts ein Gefühl von Heimat gaben.
Die einzige Heimat, die ich je gekannt hatte. Ich wünschte fast, ich könnte mich dorthin verkriechen. Da fände ich zumindest genügend Ablenkung von meinem wahren Dasein.
David kam mit einem Tablett zurück, auf dem er einen Krug Wasser, Saft, Gläser, Teller und Besteck abgestellt hatte und trug es zum Couchtisch. Ich war froh, dass er nicht darauf bestand, an dem großen Esstisch zu sitzen. Dort wäre ich mir noch kleiner und verlorener vorgekommen, als ich mich eh schon in dieser opulenten Wohnung und seiner Gegenwart fühlte. David stellte alles auf dem Couchtisch ab und setzte sich dann wieder in denselben Sessel wie vorhin.
Er überließ mir das Sofa alleine, wofür ich ihm sehr dankbar war. Plötzlich war mir seine Nähe wieder unangenehm und ich fühlte mich unwohl bei dem Gedanken, dass ich eben noch hemmungslos in seinen Armen geheult hatte. Wie um den Beweis dieses Zusammenbruchs zu vertuschen, hatte David sich ein neues Hemd angezogen, beziehungsweise er trug nun ein langärmeliges, lockeres T-Shirt, das irgendwie surreal an ihm wirkte, da ich ihn noch nie in etwas anderem als einem eleganten Hemd gesehen hatte.
Verstohlen musterte ich
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