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Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)

Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)

Titel: Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Louka
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selbst gewandt, als müsste er überlegen, wie er mit seiner Geschichte beginnen sollte. „Vielleicht erzählst du mir erst mal, was vorhin passiert ist.“
    Mein Herzschlag beschleunigte sich unwillkürlich. Ich sah unsicher auf meine Hände. „Ich hatte eine erneute unliebsame Begegnung mit diesem finsteren Typen.“ Ich stockte. „Sie waren diesmal zu zweit und so konnte ich ihm nicht entkommen.“ David lehnte sich alarmiert nach vorne und bedachte mich mit einem undeutbaren Blick, der mir nicht gefiel, so dass ich lieber schnell weiter erzählte. „Er hat mich angefasst. Aber es ist nichts passiert. Er war sehr irritiert darüber. Deswegen konnte ich fliehen.“ Ich wusste selbst, dass das kryptisch klang, doch David schien zu verstehen. Er fragte nicht nach, ließ das so stehen.
    „Reden wir über die Geschehnisse von heute Mittag, in der Bibliothek“, wechselte er zu meiner Überraschung das Thema. „Ich habe dich das schon heute Mittag gefragt“, fuhr er bedächtig fort und es kam mir vor, als würde er mit einem verängstigten Kind sprechen, das er nicht erschrecken wollte. „Was in deinem Inneren abläuft, wenn dir … das passiert“, umschrieb er zögerlich meinen Angriff auf Monsieur Faubart.
    „Du meinst, wenn ich unschuldige Menschen auf dem Flur anfalle?“, nannte ich brüsk das Kind beim Namen, weil es mich ärgerte, von David wie ein Kleinkind behandelt zu werden. Er zuckte nur zustimmend mit den Augenbrauen, was mich ärgerte, weil es damit bestätigte, dass ich unschuldige Menschen angriff, was zwar irgendwie ja stimmte, aber doch recht hart klang, wenn man es so direkt aussprach. Doch gleichzeitig überfiel mich eine Art Müdigkeit. Ich war es müde, ständig auszuweichen und davonzulaufen. Außerdem, was hatte ich nach der Aktion eben, meinem bühnenreifen Zusammenbruch in Davids Armen, schon zu verlieren?
    Seufzend atmete ich schwer aus. „Es überkommt mich einfach. Die Wut. Die Hitze. Eine seltsame Gier, m it jemandem streiten zu wollen. Es ist eine Art aggressive Unruhe, die mich rastlos werden lässt und die unbeherrschbar herausbricht.“ Ich fing wie auf Kommando wieder an zu zittern und hatte Angst vor meinen eigenen Worten, aber plötzlich wollte alles raus. Es war mir egal, dass ich mich damit bloßstellte und angreifbar machte, doch ich hatte nicht mehr die Kraft, das alles für mich zu behalten. Ich musste es einem Menschen erzählen und da David nun mal Interesse zeigte und sowieso schon das meiste wusste, gab ich meinen Widerstand völlig auf. „Ich kann nichts dagegen tun. Es ist, als beobachte ich mich dabei selbst von außen, kann aber nicht eingreifen. Es übermannt mich. Ergreift Besitz von mir, wie ein … zweites Wesen. Und zwingt mich, einen Menschen … ich weiß nicht … anzugreifen und ihn zu berühren. Und dann ist es … seltsam. Es fühlt sich heiß an, da wo ich ihn mit der Hand berühre und … es ist, als entzöge ich ihm etwas und dabei beruhigt sich diese hitzige Gier in meinem Magen. Es ist …“, ich schlug verzweifelt die Hände vor dem Gesicht zusammen. „Es ist schrecklich und ich fürchte, ich bin ganz entsetzlich krank.“ Mir entfuhr ein raues Schluchzen, obwohl keine einzige Träne mehr kam.
    „Du bist nicht krank, Josi.“ Zum ersten Mal störte mich Davids Vertraulichkeit nicht. Im Gegenteil, sie nahm mir das verstörende Gefühl abartig zu sein. Ich nahm die Hände vom Gesicht und sah ihn verzweifelt an. David musterte mich mit einem Blick, als würde er mich wieder in seine Arme ziehen wollen, er streckte sogar eine Hand aus, zog sie dann aber abrupt zurück und sah zerknirscht drein, so als hätte er eben fast etwas Verbotenes getan.
    Verwirrt runzelte ich die Stirn. „Sondern?“, fragte ich, um mich selbst von dem Wunsch abzulenken, mich tatsächlich wieder in seine Arme zu werfen.
    „Hast du diese aggressive Unruhe hauptsächlich bei Nacht?“, fragte er mich, anstatt meine Frage zu beantworten.
    „Ja“, gab ich überrascht zu. „Es fängt mit der Abenddämmerung an und lässt mich nachts kaum noch schlafen.“ Woher wusste David das?
    „Und tagsüber? Bist du da irgendwie matt und müde?“, fragte er weiter.
    „Nein, eigentlich nicht. Das ist ja das Seltsame. Obwohl ich kaum mehr als fünf Stunden schlafe pro Nacht, bin ich nicht müde. Tagsüber überfällt mich eine große Ruhe, aber ich bin nicht müde. Allerdings ist mein Nervenkostüm etwas angespannt und wenn mich etwas aufregt, dann werde ich sofort richtig

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