Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
verstummte und sah mich ernst an. Ich hielt unwillkürlich die Luft an, weil ich spürte, dass mir nicht gefallen würde, was dann kam.
„Es gibt nicht nur uns und die Menschen. Die Menschen sind quasi so etwas wie ein Mittler zwischen den Welten, oder besser gesagt, den Völkern. Denn es gibt sozusagen einen Gegenpart zu meinem Volk. Ein Volk, also sprich Wesen, die nicht die Energie der Gedankenkraft als Lebenselixier nutzen, sondern eine andere Form der Energie.“ David stockte und sah mich aufmerksam an. „Es sind Wesen, die uns entgegengesetzt sind. Sozusagen, damit das Gleichgewicht bewahrt wird. Das Gleichgewicht, das unser Universum ausmacht, wie Licht und Schatten, heiß und kalt, gut und böse. Die andere Seite der Münze eben.“ Wieder machte er eine bedeutsame Pause und musterte mich eingehend. „Wie Gedankenkraft und Körperkraft“, fügte David mit bedeutungsvoller Stimme hinzu und er sah mich an, als müsste es jetzt endlich bei mir Klick machen.
Meinen Körper schien die Erkenntnis eher zu treffen als meinen Verstand, denn ein heißes Kribbeln durchfuhr ihn, während in meinem Kopf ein heilloses Durcheinander herrschte. Krampfhaft versuchte ich, meine Gedanken zu ordnen. „Moment“, ich hielt eine flache Hand wie zum Stoppzeichen hoch und rieb mir mit der anderen über die Stirn, wie um damit das Denken zu beschle unigen. „Es gibt also neben deinem Volk noch ein anderes menschenfremdes Volk, das dir entgegengesetzt ist und ebenfalls unter den Menschen lebt? Und das zeichnet sich wie aus?“
„Zum Beispiel dadurch, dich in dunklen Gassen anzugreifen“, gab David ganz relaxt von sich, als würde er mir den Wetterbericht für den morgigen Tag mitt eilen.
Obwohl ich nicht glaubte, noch fassungsloser dreinschauen zu können, musste ich es wohl getan haben, denn David seufzte ergeben auf. „Ich habe das Gefühl, ich müsste dir jetzt einen Schnaps anbieten.“
Die Ironie in seiner Stimme weckte mich aus meiner Starre, dennoch bekam ich erst mal keinen Ton heraus. Ich versuchte es, doch es klang wie ein Krächzen. Ich schluckte schwer und meinte, gegen ein Reibeisen anschlucken zu müssen, so trocken war mein Hals. Dann startete ich einen neuen Versuch. „Du meinst, der Typ, der mir auflauert, ist kein Mensch, sondern ein … seltsames Wesen … und er …“, plötzlich kapierte ich, was David mir sagen wollen. „Er versuchte vorhin, Körperkraft aus mir herauszuziehen“, platzte es entsetzt aus mir heraus, in Erinnerung an das Bild von dem Typen, wie er mich am Arm festgehalten und seltsam stier angesehen hatte. „So wie ich heute bei Monsieur Faubart.“
Die Wärme.
Der Brandfleck.
Das Gefühl etwas herauszuziehen.
Die wohlige Wärme in meinem Bauch.
Die Gier nach etwas Undefinierbarem.
Nach Körperenergie!
Nach Körperenergie?
Ich hörte David tief ein- und ausatmen und spürte seinen behutsam abschätzenden Blick auf mir mehr, als dass ich ihn sah, obwohl ich ihn direkt anstarrte. Doch ich nahm ihn nicht wirklich wahr. Während vorhin meine Gedanken durch meinen Kopf gerast waren, herrschte jetzt absoluter Stillstand. Ich hatte das Gefühl, mein Verstand war in eine Art Schockstarre getreten und war irgendwie eingefroren. In mir war alles blank. Das komplette System auf Null heruntergefahren. Ein kompletter Absturz aller Programme.
Nun ja, zumindest der Denkprogramme. Ich glaubte noch zu atmen, aber sicher war ich mir da im Moment nicht. Ich konnte nichts anderes mehr wahrnehmen, als die Ungeheuerlichkeit, dass David mir eben klarzumachen versuchte, ich hätte die Eigenschaften eines abartigen, menschenfremden Wesens, das Menschen Körperenergie stahl.
Ich wusste nicht, wie lange ich so dasaß und ob David mich während dieser Zeit mehrmals angesprochen hatte, denn plötzlich tönte seine fordernde Stimme wie aus weiter Ferne zu mir.
„Josephine! Rede mit mir!“
Ich sa h ihn orientierungslos an. „Äh.“
„Bei deiner Begegnung heute Abend, hat der Kerl da versucht, dir Körperenergie zu entziehen?“ David sah mich ernst an. Ich brachte nur ein mühsames Nicken zustande. „Und es hat nicht funktioniert?“
„Nein. Nichts passiert“, stammelte ich.
„Das hat ihn wohl einigermaßen überrumpelt, was?“
Ich zwinkerte, um den Schleier vor meinem inneren Auge lo szuwerden. „Ja. Aber …“ Ich runzelte die Stirn. „Was bedeutet das? Ich bin wie er … Aber …“
„Tja, die Geschichte geht noch weiter“, unterbrach David mein wirres Gestammel.
Mir war,
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