Envy-[Neid]
trinken«, sagte Maris mit einem reizenden Lächeln.
»Sie sehen auch wirklich schrecklich müde aus«, erwiderte Nadia mit einem ebenso reizenden Lächeln.
Noah schaltete sich ein. »Tut mir Leid, Nadia, aber heute Abend müssen wir dankend ablehnen. Ich werde jetzt meine Frau nach Hause und ins Bett bringen.«
»Nein, Liebling«, sagte Maris. Vor Nadia Schuller würde sie nicht die verletzte Gattin spielen. »Ich denke nicht daran, dich an dieser Pflichtübung zu hindern.«
»Das ist es nun wahrlich nicht«, fauchte Nadia. »Eher die seltene Gelegenheit zu einer Fachsimpelei mit einem der aufregendsten Romanautoren der Verlagswelt.«
Der aufregende Romanautor hatte bisher keinen Piep geäußert. Seine Augen schimmerten trüb, und er schien ihr Gespräch kaum wahrzunehmen. Maris warf Nadia einen wissenden Blick zu. »Natürlich. Genau das habe ich ja gemeint.« Zu Noah gewandt meinte sie: »Du bleibst. Ich fahre allein nach Hause.«
Er musterte sie zweifelnd. »Bist du sicher?«
»Ich bestehe darauf.«
»Dann wäre das ja geregelt.« Nadia zog den Schriftsteller kräftig am Arm. Wie ein Schlafwandler passte er sich ihren Schritten an. »Ihr beide sagt euch noch Lebewohl, während wir schon mal den Tisch belegen. Noah, soll ich für dich wie üblich bestellen?«
»Bitte.«
Dann rief sie blasiert zu Maris zurück: »Erholen Sie sich gut, meine Liebe!«
Parker Evans starrte aus dem Fenster ins Nichts hinaus. Obwohl er von diesem Punkt aus die Küste nicht sehen konnte, konnte er die Brandung hören, wenn er sich konzentrierte. Regenwolken verdunkelten das Zimmer. Keine einzige andere Lichtquelle milderte die Dunkelheit, weder eine natürliche noch eine künstliche.
Von diesem Fenster im ersten Stock konnte Parker die Rückseite des Anwesens überblicken, ein Stück Rasen, das an einem gewissen Punkt steil abfiel und schließlich zum Strand hin langsam auslief. Diese Rasenkante wirkte wie die Schwelle zu einer schwarzen Leere, die weiter draußen mit dem Ozean verschmolz. Kein Wunder, dass sich die Seeleute in der Antike vor den unbekannten Ungeheuern gefürchtet hatten, die jenseits der Begrenzung hausten.
Auch das Zimmer hinter ihm lag im Dunkel, aber nicht ungeplant. Er hatte das Licht ganz bewusst nicht angeschaltet, denn dann hätte er sich in der Fensterscheibe gespiegelt. Er zog den Blick auf das Nichts dem eigenen Anblick vor.
Außerdem brauchte er kein Licht, um die Telefonliste zu lesen, die er in der Hand hielt. Im Grunde genommen musste er sie gar nicht mehr lesen. Sie hatte sich längst in sein Gedächtnis eingegraben.
Sechs Monate Warten hatten sich endlich ausgezahlt. Maris Matherly-Reed versuchte, Kontakt mit ihm aufzunehmen.
Erst gestern war Parker nahe daran gewesen, seinen Plan zu kippen und sich einen neuen auszudenken. Nachdem er Monate nichts von ihr gehört hatte, hatte er sich ausgemalt, sie hätte den Prolog zu Neid gelesen, gehasst und verworfen, und hätte nicht einmal die Höflichkeit besessen, ihm einen Absagebrief zu schicken.
Außerdem war ihm der Gedanke gekommen, das Teilmanuskript hätte nie ihren Schreibtisch erreicht. Die Leute in der Postverteilung hatten es fehlgeleitet, oder es war bereits Minuten nach dem Eintreffen in einem Abfallcontainer gelandet. Nur wenige der großen Verlagshäuser lagerten überhaupt noch unverlangt eingesandte Manuskripte; sie kamen entweder über Literaturagenten oder gar nicht.
Angenommen, seine Seiten hatten die erste Hürde genommen. Dann hatte vielleicht ein Nachwuchslektor, der für das Sichten des Schrotthaufens bezahlt wurde, den Prolog zu Neid bereits verworfen, noch ehe er ihr Büro erreichte. Jedenfalls war er fast schon selbst überzeugt gewesen, dass dieser Plan gescheitert und ein neuer unerlässlich war.
Doch das war gestern. Womit wieder einmal bewiesen wäre, welchen Unterschied ein einziger Tag machte. Offensichtlich hatten es die Seiten tatsächlich bis auf ihren Schreibtisch geschafft, und sie hatte sie wirklich gelesen, denn heute hatte sie versucht, ihn zu erreichen.
Geschäftlich, hatte sie Deputy Dwight Harris auf seine Frage erklärt, warum sie nach P.M.E. suche. Sie habe Geschäftliches zu besprechen. Für Parker konnte das Gutes bedeuten, Schlechtes oder etwas dazwischen.
Möglicherweise rief sie nur an, um ihm zu sagen, sein Geschreibsel stinke zum Himmel. Wie könne er es nur wagen, ihrem Prestigeverlag unaufgefordert einen solchen Bockmist zu schicken. Vielleicht würde sie es auch sachter angehen und
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