Envy-[Neid]
flüchtigen Blick wollte sie seine Reaktion einschätzen. Als er diese jedoch verweigerte, lehnte sie sich mit einem Seufzer zurück.
»Das haben Sie erwartet, ja? Sie wussten, was ich sagen würde.«
Er nickte. »Ich bin an der Oberfläche geblieben, genau wie Sie sagten.«
»Um meine Kompetenz zu testen.«
»Hmm.«
»Sie haben mich mein Sprüchlein aufsagen lassen.«
»So in der Art.«
Sie lächelte bescheiden. Sie hatte viel Sportsgeist, und sie ließ ihn unverdient leicht vom Haken. Eigentlich hätte er es vorgezogen, wenn sie um sich geschlagen, ihn mit Kraftausdrücken fertig gemacht und ihm sogar eine verpasst hätte. Sein Vorhaben wäre einfacher, wenn sie ihm in seiner üblen Rolle Paroli böte. Sie waren ungleiche Gegner. Dieses Spiel war einige Nummern zu groß für sie, und sie wusste es noch nicht einmal.
Er sagte: »Sie hatten jedes Recht der Welt, Mike und mir zu erwidern, wir sollten uns ins Knie ficken.«
»Solche Ausdrücke hätte mein Vater nie geduldet.«
»Also sind Sie doch Papis Kind?«
»Absolut. Weil er ein so toller Vater ist. Ein Gentleman und ein Gelehrter. Sie würden ihm gefallen.«
Er lachte harsch. »Nicht, wenn er tatsächlich ein Gentleman ist.«
»Sie irren sich. Er würde Ihre Kühnheit bewundern. Vermutlich würde er so etwas ›Mumm‹ nennen.«
Parker lächelte. »Ein Mann ganz nach meinem Sinn.«
»Er hat Ihren Prolog gelesen und mochte ihn. Er hat mich ermutigt, dieses Projekt weiter zu verfolgen.«
Er deutete auf die Seiten. »Dann tun Sie’s doch.«
Nach einem erneuten Blick in ihre Notizen fuhr sie fort:
»Parker, lassen Sie sich Zeit. Der Seitenumfang ist nicht begrenzt. Überlassen Sie mir das Zurechtstutzen und Lektorieren. Das ist mein Job. Sie müssen nicht sämtliche Hintergrundinformationen in den ersten paar Kapiteln enthüllen. Die kann man übers ganze Buch verstreuen und dabei doch erfahren, wie sich das Leben der Figuren vor der gemeinsamen Zeit entwickelt hat.«
»Das weiß ich längst.« Er tippte sich an die Stirn. »Hier drinnen.«
»Ausgezeichnet. Aber der Leser kann nicht Ihre Gedanken lesen.«
»Verstehe.«
»Das war’s momentan.«
Sie strich die Seitenkanten glatt und legte sie in ihren Schoß. »Bin ich froh, dass ich Ihren albernen Test bestanden habe«, sagte sie ehrlich. »Ich habe es vermisst, am Entstehungsprozess eines Buches beteiligt zu sein. Wie sehr, wurde mir erst klar, als ich mir gestern Nacht diese Notizen gemacht habe. Ich liebe es, die Story herauszuarbeiten und mir zusammen mit dem Autor den Kopf darüber zu zerbrechen, besonders wenn er Talent hat.«
Er deutete auf sich. »Und das habe ich?«
»Das haben Sie. Definitiv.«
Unter ihrem offen-ernsten Blick wurde ihm ungemütlich zumute. Seine Augen wanderten auf den Ozean hinaus, damit er ihre Ehrlichkeit nicht mehr sehen musste, damit er nicht spüren musste… Damit er eben gar nichts spüren musste. Punkt.
Vielleicht war dieses Spiel einige Nummern zu groß für ihn.
Sie beugte sich zu ihm, stupste gegen sein Knie und senkte die Stimme zum Flüsterton. »Sagen Sie, haben Sie Ihren Entschluss geändert und sagen mir, welche Figur …«
»Finger weg, aber dalli!« Er wirbelte seinen Stuhl in die entgegengesetzte Richtung und schob ihn an seinen Arbeitsplatz. »Meine Lektorin ist ein Biest und hat mir einen Riesenberg Arbeit angehängt.«
Kapitel 11
1985
Wolkenverhangen und kalt dämmerte jener Dienstag zwei Tage vor Thanksgiving herauf. Wie aufs Stichwort fiel mit einer Kaltfront die Temperatur genau rechtzeitig für die Ferien, als vertrügen sich Truthahnbraten und Kürbispie nicht mit mildem Wetter.
Roarks Wecker stand auf sieben Uhr dreißig. Um sieben Uhr fünfundvierzig war er rasiert, geduscht und angezogen. Zehn Minuten vor acht saß er unten im Frühstücksraum des Studentenwohnheims, blätterte bei einer Tasse Kaffee flüchtig sein Manuskript durch und dachte darüber nach, wie sehr Professor Hadley dieses kreative Werk zerreißen würde, das er mit ganzem Herzblut geschrieben hatte.
Vom Ausgang dieser Besprechung hing die Qualität seiner Thanksgiving-Ferien ab. Entweder würde er das lange Wochenende entspannt in dem Bewusstsein verbringen, dass sein Werk Gnade in den Augen seines Professors gefunden hatte, oder er würde in einem Meer aus Jammer versinken, den man Selbstzweifel nannte.
So oder so, seine Wartezeit war in Bälde vorbei. Die Urteilsverkündung rückte näher. Egal, ob Hadleys Anmerkungen positiv oder negativ oder sogar
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