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Envy-[Neid]

Envy-[Neid]

Titel: Envy-[Neid] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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Todd.
    »Danach ’nen Kaffee? Wir stellen eine Studiengruppe fürs Schlussexamen zusammen. Um zehn im Studentenclub.«
    »Ich weiß nicht, ob ich dann schon fertig bin. Bin gerade auf dem Weg zu Hadley.«
    »Du meinst jetzt?«
    »Absolut.«
    »Scheiße, Mann, das haut rein. Viel Glück.«
    »Danke. Bis später.«
    »Bis später.«
    Roark ging weiter den Flur entlang. Der Doughnut war doch keine so gute Idee gewesen. Er lag ihm wie ein Stein im Magen. Der Kaffee hatte einen sauren Geschmack im Mund hinterlassen. Warum hatte er nur kein Pfefferminz gelutscht? Als er das Büro 207 erreichte, blieb er stehen, um tief Luft zu holen. Die Tür stand einen Spalt offen. Er wischte seine feuchte Hand an der Jeans ab und klopfte leise.
    »Kommen Sie herein.«
    Professor Hadley saß hinter seinem Schreibtisch, die Füße samt einem Paar brauner Wildlederstiefeletten auf die oberste offene Schublade gestützt. Ein Stapel Lesestoff lag in seinem Schoß, einer von unzähligen Ablageflächen für Gedrucktes in diesem Zimmer. Für das Papier, mit dem Hadleys Büro voll gestopft war, hatte eine unendliche Anzahl Bäume ihr Leben geopfert. Vermutlich handelte es sich um die größte Papierverschwendung pro Quadratzentimeter auf Erden.
    »Guten Morgen, Herr Professor.«
    »Mr. Slade.«
    Bildete er sich das nur ein, oder klang Hadleys Begrüßung besonders kühl?
    Man konnte das Verhalten des Tutors nie als freundlich bezeichnen. Im Gegensatz zu anderen Dozenten freundete er sich nie mit seinen Studenten an. Im Grunde genommen behandelte er sie mit kaum verhohlener Verachtung. Selbst eine gute Note für eine Seminararbeit schützte einen nicht vor seinem Hohn.
    Sein Unterrichtsstil vermittelte den Studenten das Gefühl, unwissende Tölpel zu sein. Erst nachdem er sie vom Piedestal ihrer Selbstüberschätzung gestürzt hatte und selbige in Trümmern dalagen, kam Hadley zur Sache und brachte ihnen etwas bei. Anscheinend nahm er an, tiefe Demütigung schärfe die Lernfähigkeit.
    Während er das voll gestopfte Büro betrat, redete sich Roark gut zu, dass Hadley gewohnheitsmäßig kurz angebunden sei und er das nicht persönlich nehmen dürfe.
    »Nein, schließen Sie nicht die Tür«, erklärte ihm Hadley.
    »Oh, tut mir leid.« Roark griff nach hinten, um sie aufzufangen, da er sie gerade hatte schließen wollen.
    »Das sollte es Ihnen auch tun.«
    »Sir?«
    »Mr. Slade, ist mit Ihren Ohren etwas nicht in Ordnung?«
    »Mit meinen Ohren? Nein, Sir.«
    »Dann haben Sie doch korrekt gehört, als ich sagte, dass Ihnen das leid tun sollte. Sie sind inzwischen…« Er warf einen Blick auf etwas hinter Roarks linker Schulter.
    »Fünfundsechzigeinhalb Minuten zu spät.«
    Roark drehte sich um. Hinter ihm an der Wand hing eine Uhr. Weißes Ziffernblatt. Tiefschwarze Ziffern. Striche markierten alle sechzig Minuten. Der Stundenzeiger stand bereits auf Neun. Der Minutenzeiger war noch drei Striche von der Zwölf entfernt.
    Jetzt ist der Alte durchgedreht, dachte Roark. Etwas hat ihm das Gehirn vernebelt. Vielleicht Papierdämpfe. Gibt es so was überhaupt?
    Er räusperte sich. »Entschuldigen Sie, Sir, aber ich bin ganz pünktlich. Unser Termin war auf neun Uhr festgesetzt.«
    »Acht.«
    »Ursprünglich ja, aber erinnern Sie sich denn nicht mehr, dass Sie angerufen und ihn auf neun Uhr verlegt haben?«
    »Mr. Slade, ich versichere Ihnen, dass mein Gedächtnis perfekt funktioniert. Einen derartigen Anruf habe ich nie getätigt.« Wütend funkelte ihn Hadley unter dichten Augenbrauen hervor an. »Unser Termin war um acht.«

Kapitel 12
    Er war ein alter Mann.
    Erst seit kurzem betrachtete sich Daniel Matherly so. Weit über den vernünftigen Zeitpunkt hinaus hatte er sich geweigert, seine vorgerückten Jahre anzuerkennen. Unverlangt zugeschickte Broschüren der Grauen Panther wanderten ungeöffnet in den Papierkorb. Außerdem weigerte er sich, Seniorentarife in Anspruch zu nehmen.
    In jüngster Zeit jedoch erschwerte ihm sein Spiegelbild jeden Widerspruch, und seine Gelenke fanden noch bessere Argumente dafür, dass er allmählich definitiv zum Senior wurde.
    Heute, da er in seinem privaten Arbeitszimmer hinter dem Schreibtisch saß, amüsierten Daniel seine Überlegungen. Wenn das Nachdenken über das eigene Leben kein Beweis für ein vorgerücktes Alter war, was dann? Seine Beschäftigung mit den nachlassenden Körperkräften war das deutlichste Signal dafür, dass sie tatsächlich nachließen. Wer, außer den Uralten, beschäftigte sich sonst

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