Envy-[Neid]
Arbeitsmoral.
Wegen Daniels Gerüchten wollte ihn trotz seiner Qualifikationen niemand mehr beschäftigen. Er wurde in seiner geliebten Branche zum Pariah und zog schließlich aus der Stadt weg. Daniels Gehässigkeit hatte ihm eine viel versprechende Karriere ruiniert und das Verlagswesen einen talentierten Mitarbeiter gekostet. Diese Schuld würde er mit ins Grab nehmen müssen.
Mehrere Jahre nach Rosemarys Tod war er in eine Affäre verwickelt gewesen, die ihn nicht stolz machte. Mit einer halbwüchsigen Tochter im Schlepptau war es für einen Junggesellen in den besten Jahren nicht leicht gewesen, eine Liebesbeziehung zu pflegen. Das erforderte geschicktes Taktieren und ständiges Jonglieren mit Terminen. Die Frau war auf seine Beziehung zu Maris eifersüchtig gewesen und forderte immer mehr, bis sie ihn schließlich vor die Wahl stellte, sich zwischen ihr und Maris zu entscheiden. Daniel ließ seinen Verstand über sein Begehren entscheiden und machte sich klar, dass er nie eine Frau lieben könne, die ihrerseits nicht seine Tochter liebte und in jeder Hinsicht uneingeschränkt akzeptierte. Er beendete das Verhältnis.
Jahrzehnte lang hatte er seinen Ruf als herausragender Verleger verteidigen können. Er schien von Natur aus mit einem sechsten Sinn dafür gesegnet zu sein, welche Manuskripte man festhalten und welche man ablehnen musste. Während seiner Amtszeit hatte sich der Firmenwert verhundertfacht. Er hatte mehr Geld verdient, als er und Maris zu Lebzeiten je ausgeben konnten, vermutlich konnten das nicht einmal seine Enkel.
Geld war eine nette Dreingabe, das Ergebnis seines Erfolges, doch seine Motivation zog er nicht daraus. Sein Antrieb entsprang dem unbedingten Wunsch, das zu bewahren, was seine Vorfahren mit großer Gewissenhaftigkeit und enormem Einsatz aufgebaut hatten. Noch vor seinem dreißigsten Geburtstag hatte er die Verwaltung des Familienbetriebes unter der Prämisse übernommen, ihn zu schützen und für die nächste Generation auszubauen.
Und das war Maris, die Krönung seiner Verdienste. Sie war ihm tausend Mal kostbarer als Matherly Press. Ihre Existenz bekräftigte seinen Entschluss, den Verlag vor jenen Wölfen zu schützen, die mit jedem Jahr größer und hungriger wurden.
Natürlich konnte er sie nicht gänzlich behüten. Kein Vater konnte seinem Kind die Nackenschläge des Lebens ersparen, und wenn doch, wäre das unfair. Maris musste ihr eigenes Leben leben, und damit waren Missgeschick und Fehler untrennbar verbunden.
Nur eine Hoffnung hatte er: dass sie nicht allzu schwer enttäuscht, und Triumph und Freude überwiegen würden. Und falls ihr Fortuna ein so langes Leben wie ihm bescherte, dann sollte sie in seinem Alter wenigstens mit demselben Maß an Befriedigung auf ihr Leben zurückschauen können, wie es ihm vergönnt war.
Vor dem Tod hatte er keine Angst. Bis auf Maxine wusste niemand, dass er in letzter Zeit mehrere Gespräche mit einem Geistlichen geführt hatte. Rosemary war eine praktizierende Katholikin gewesen. Obwohl er selbst nie konvertiert war, hatte er wie durch Osmose einiges von ihrem Glauben aufgenommen. Er war fest davon überzeugt, dass sie sich nach dem Tod eines gemeinsamen Lebens erfreuen würden.
Das Sterben fürchtete er nicht.
Er fürchtete nur, als Narr zu sterben.
Diese Sorge hatte ihm gestern Nacht den Schlaf geraubt. Wegen dieser Unruhe hatte er sich die Nachtstunden nicht einmal mit Lesen vertreiben können, und auch der Morgen hatte seine diffuse Beklemmung nicht gemildert.
Er wurde das Gefühl nicht los, dass er irgendetwas übersah, dass ihm ein entlarvendes Wort, eine Handlung oder ein Benehmen entging, was ihm in jüngeren und aufmerksameren Jahren – vor fünf oder sogar noch vor einem Jahr – nicht passiert wäre.
War dieses Misstrauen berechtigt? Oder ein Symptom schleichender Demenz?
Daniel musste daran denken, wie sein Großvater vor seinem Tod wirres Zeug über die Diebstähle seiner Pflegerin geredet hatte. Eines schönen Tages bezichtigte er sie, eine deutsche Spionin zu sein, die den Auftrag hatte, amerikanische Kriegsveteranen heimtückisch zu ermorden. Felsenfest, wie das nur mental Verwirrte können, behauptete er, seine Haushälterin erwarte ein Kind von ihm. Nichts konnte ihn davon überzeugen, dass die siebenundsechzigjährige Engländerin unmöglich schwanger sein konnte.
War das seine Zukunft? War diese obskure namenlose Unruhe der Vorbote ausgewachsener Senilität?
Oder – und für diese Version hatte er
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