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Envy-[Neid]

Envy-[Neid]

Titel: Envy-[Neid] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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sich entschieden – deutete sie darauf hin, dass er noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war, so scharfsinnig wie eh und je? Dass er sich noch immer auf seine Intuition verlassen konnte, die ihn als Verleger erfolgreich durch fünfzig Jahre gelenkt hatte?
    Bis zum Beweis des Gegenteils entschloss er sich, seinen Instinkten zu vertrauen. Und die sagten ihm, dass irgendetwas nicht stimmte. Das spürte er wie ein Hirsch, der den Jäger kilometerweit wittert.
    Vielleicht machte er sich auch allzu viele Sorgen, weil Maris unglücklich gewesen war. Vor ihm konnte sie ihre Gefühle weitaus schlechter verbergen, als sie dachte. In dieser Ehe kriselte es. Die Anzeichen dafür entgingen ihm nicht. Noch kannte er Grund und Ausmaß dieser Disharmonie nicht. Wenn sie jedoch bei Maris bereits erkennbare Unruhe auslösten, wurde auch er unruhig.
    Und dann war da noch Noah. Er hatte den Wunsch, diesem Mann zu vertrauen, als Protegé und als Schwiegersohn. Allerdings nur, wenn sich Noah dieses Vertrauens würdig erwies.
    Ächzend richtete Daniel seinen ledernen Schreibtischsessel auf und öffnete eine Schublade, holte seinen Terminplaner heraus, zog den Reißverschluss auf und entnahm einem der kleinen Fächer eine Visitenkarte.
    »William Sutherland« stand darauf. Kein Firmenname, keine Adresse. Lediglich dieser Name und eine Telefonnummer, in schlichten dunkelblauen Blockbuchstaben.
    Nachdenklich drehte Daniel die Karte zwischen den Fingern, wie er es schon oft getan hatte, seit er sie vor einigen Wochen bekommen hatte. Er hatte die Nummer noch nicht gewählt, und auch noch keinen persönlichen Kontakt mit Mr. Sutherland aufgenommen. Aber heute Morgen spürte er, dass der richtige Moment gekommen war.
    Die Sache hatte etwas Hinterhältiges und Verschlagenes. Schon beim bloßen Gedanken daran fühlte er sich wie ein Betrüger. Selbstverständlich musste nie einer davon erfahren. Es sei denn – was der Himmel verhüten möge –, es käme etwas dabei heraus. Wahrscheinlich ja nicht.
    Wahrscheinlich schoss er weit übers Ziel hinaus. Aber Sorglosigkeit lag ihm einfach nicht. Hier stand zu viel auf dem Spiel, um kluge Vorsicht von Gewissensbissen überschatten zu lassen. Bei der Wahl zwischen Skrupeln und Vorsicht stand die Entscheidung von vorneherein fest. Das alte Sprichwort galt: Besser Vorsicht als Nachsicht.
    Während er nach dem Hörer griff, beschloss er, noch mehr auf der Hut zu sein und in Wortwahl und Mimik auf Nuancen zu achten. Er musste sich einfach noch stärker auf die Vorgänge ringsherum einstellen. Schließlich wollte er nicht der Letzte sein, der etwas erfuhr. Egal, was.
    Das Sterben fürchtete er nicht. Er fürchtete nur, als Narr zu sterben.
     
    »Sie sollten wegbleiben. Sie kann jeden Moment einstürzen«, erklärte Mike Maris, während er mit einem Stück feinen Sandpapiers schwungvoll die Kaminummantelung abzog.
    »Wenn sie so baufällig ist, kann dann Parker ungefährdet allein dorthin gehen?«
    »Natürlich nicht, aber versuchen Sie mal, ihm das klarzumachen.«
    »Mike…«
    Da er ihr Zögern spürte, drehte er sich zu ihr um.
    »Lassen wir das«, sagte sie. »Meine Frage wäre nicht fair, weder Ihnen noch Parker gegenüber.«
    »Weswegen…?«
    »Wegen seiner Behinderung.«
    »Nein, das wäre nicht fair.«
    Sie nickte, schüttelte die trübe Stimmung ab und fragte:
    »Wie komme ich dorthin?«
    »Das könnte gefährlich sein.«
    »Ich werde losrennen, wenn es einzustürzen droht. Versprochen.«
    »Ich meinte nicht das Gebäude, sondern Parker. Er könnte Ihnen gefährlich werden. Störungen kann er nicht leiden.«
    »Darauf lasse ich’s ankommen. Liegt es so nah, dass man hinlaufen kann?«
    »Gehen Sie in New York viel zu Fuß?«
    »Täglich, wenn es das Wetter erlaubt.«
    »Dann liegt es in Gehweite.«
    Nachdem er ihr den Weg beschrieben hatte, warnte er sie noch einmal. »Es wird ihm nicht gefallen, wenn Sie dort auftauchen.«
    »Vermutlich nicht«, erwiderte sie mit einem leichten Lachen.
    Den ganzen Tag hatte sie drinnen verbracht und gelesen, bis ihr die Augen schmerzten. Es tat gut herauszukommen, obwohl man das hier nicht in der kühnsten Fantasie als »frische Luft« bezeichnen konnte. Die Hitze war unerträglich, die Feuchtigkeit noch schlimmer. Gnadenlos brannte die Sonne mit sengender Glut herab, gegen die selbst Schatten nicht viel ausrichten konnte.
    Trotzdem war diese Insel voll von exotischer Schönheit, untrennbar verbunden mit dem Klima. Die Steineichen strahlten eine uralte,

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