Envy-[Neid]
wobei er vor sich hin murmelte, heute sei wohl jeder mies gelaunt. Mit einem Karton Vanilleeis kam er wieder und löffelte es über die dampfenden Portionen.
»Ich esse meine in meinem Zimmer«, sagte er und nahm sich ein Schälchen. »Heute Abend läuft im Fernsehen ein Bette-Davis-Festival. Wenn du etwas brauchst, kannst du’s dir selbst holen«, sagte er zu Parker. »Maris, solltest du etwas brauchen, klopf einfach an meine Tür. Oben, die erste rechts.«
»Danke, Mike. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich dich stören muss. Die Pfirsiche sehen köstlich aus.«
»Guten Appetit.«
Nachdem Mike weg war, fiel Parker über seine Portion samt Eis her, als hätte er auf beides eine Stinkwut. Als er fertig war, ließ er den Löffel mit lautem Klirren in die leere Schüssel fallen, stellte sie wieder aufs Tablett und rollte dann seinen Stuhl zum Computer hinüber. »Willst du lesen, woran ich gearbeitet habe, oder was?«
»Selbstverständlich will ich das lesen.«
Während die neuen Seiten ausgedruckt wurden, aß Maris ihre Pfirsiche. Mit der Steingutschüssel in der Hand schritt sie langsam die vollen Bücherregale ab und musterte die Titel in Parkers üppiger Sammlung. »Du magst Krimis.«
Sein Kopf fuhr herum. »Wenn sie gut geschrieben sind.«
»Offensichtlich hältst du Mackensie Roone für einen guten Autor.«
»Er ist okay.«
»Nur okay? Ich besitze die ganze Deck-Cayton-Serie.«
»Je eines gelesen?«
»Ein paar, nicht alle.« Sie zog eines der Bücher aus dem Regal und blätterte es durch. »Ich wünschte, das würden wir verlegen. Die verkaufen sich wie warme Semmeln.«
»Und woran liegt das deiner Meinung nach?«
»Warum gefallen sie denn dir?«
Er dachte einen Moment nach. »Sie sind Unterhaltung pur und machen Spaß.«
Sie nickte. »Genau das denken auch Millionen Leser auf der ganzen Welt. Deck Cayton spricht Männer und Frauen an. Und warum auch nicht? Er ist unabhängig und reich, ein reiner Hobbydetektiv. Er lebt auf einem prächtigen Hausboot, fährt schnelle Autos, fliegt seinen eigenen Jet. Im Smoking fühlt er sich genauso wohl wie in Jeans.«
»Und noch wohler ohne beides.«
»Du musst die Story über den Mord im Nudistencamp gelesen haben.«
Er grinste verschmitzt. »Mein persönliches Lieblingsbuch.«
»Und warum überrascht mich das nicht?«
»Beschäftigen wir uns wieder mit der Hauptfigur…« Geistesabwesend leckte sie Eistropfen vom Löffel.
»Deck Cayton ist gut gezeichnet. Er hat Charme und Witz und sieht gut aus. Er ist…«
»Ein Dämlack.«
»Manchmal ja, sogar ganz gewaltig. Aber er wird so mitreißend geschildert, dass ihm der Leser seine Schattenseiten verzeiht. Der Autor lässt ihn menschlich sein, und das schätzen die Leser. Damit kann man sich identifizieren. Und trotz seiner gefährlichen Waffen und der großen Klappe ist Deck insgeheim verwundbar.«
»Wegen des Todes seiner Frau.«
»Richtig. Das wird zwar immer wieder erwähnt, aber dieses spezielle Buch habe ich noch nicht gelesen.«
»Steht im allerersten«, erklärte er. »Ein Skiunfall. Er hat sie zu einem Wettlauf herausgefordert, wobei sie gegen einen Baum gerast ist. Die Autopsie ergab, dass sie bereits mehrere Wochen schwanger war. Was beide nicht wussten. Du solltest es lesen.«
»Das werde ich definitiv.« Sie tippte sich mit dem Löffel gegen einen Schneidezahn. »Merkst du, wie der Autor einen Grund für Decks Verwundbarkeit eingebaut hat? Durch diesen tragischen Unfall können die Leser mit ihm mitfühlen.«
»Du klingst wie eine Lektorin.« Sie lachte. »Reine Gewohnheit.«
»Du hast viel darüber nachgedacht.«
»Ich analysiere jeden Bestseller, besonders die von der Konkurrenz. Ich muss einfach wissen, warum Deck Cayton so viel positives Echo findet. Der Versuch, Trends im Publikumsgeschmack vorherzusagen, gehört zu meinem Job.«
Sie löffelte ihre Pfirsiche aus. »Trotzdem bin ich immer noch ein Fan. Ungeachtet aller individuellen Charakterzüge ist und bleibt Deck der typische überlebensgroße Actionheld, der alle Fälle löst, den Bösen schnappt und jede Frau vernascht.«
»Und sie zum Orgasmus bringt.«
Maris klappte das Buch hörbar zu und stellte es zu den anderen ins Regal. Er hatte sie mit dieser Bemerkung provozieren wollen, was ihm auch gelungen war, doch sie würde sich das nie und nimmer anmerken lassen. »Wie schon gesagt, er spricht Männer und Frauen gleichermaßen an.«
Ihre Untertreibung entlockte ihm ein Grinsen. Trotzdem ging er nicht weiter darauf ein.
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