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Envy-[Neid]

Envy-[Neid]

Titel: Envy-[Neid] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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eine Mutterbrust. Sein Tag war eine Abfolge chaotischer Ereignisse gewesen, eine Missgeburt aus Gasgeben und Bremsen. Zwischen Wutausbrüchen hatte er niederschmetternde Enttäuschungen hinnehmen müssen, die seinen Freund betrafen und ihn selbst.‹«
    »Gut.«
    »Danke«, erwiderte er geistesabwesend, während er weiter die Seiten überflog. »Schon den ganzen Abend war Leslie ungewöhnlich ruhig, ganz im Gegensatz zu ihrem ansonsten überschäumenden Temperament. Roark bildet sich ein, seine verdrießliche Stimmung hätte ansteckend gewirkt und auf sie abgefärbt. Während der Nachos haben sie sich halbherzig über irgendwelche Bla-Ba-Themen unterhalten. Das kannst du ja allein lesen.«
    Er fuhr mit dem Finger eine Seite entlang, bis er die gesuchte Stelle ausfindig gemacht hatte. »Okay, hör zu.«
    »Tu ich.«
    »›Der Vollmond hing knapp über dem Horizont, sein Licht brach sich in einem derart spitzen Winkel auf dem Wasser, dass sein Lichtschein den ganzen See überflutete. Doch es war ein kaltes Licht. Am gegenüberliegenden Ufer ragten hohe Kiefern und nackte Laubbäume wie in einer Tuschezeichnung reglos in den frühwinterlichen Himmel einer windstillen Nacht, kahl und stumm.‹«
    »Gefällt mir.«
    »Um es kurz zu machen, ihre Unterhaltung wirkt gezwungen, gestelzt. Leslie hatte Roark nicht gefragt, wohin sie nach dem Drive-in fuhren. Während der Fahrt zum See macht sie keinen Mucks… Himmel, habe ich das geschrieben?« Er zog einen Rotstift aus der Hemdtasche und strich die Zeile durch. »Aber mittlerweile zerrt ihr Schweigen allmählich an Roarks Nerven. Er will wissen, was sie gerade denkt.«
    Wieder begann er vorzulesen. »›Roark unterdrückte seine Frage so lange, bis er glaubte, es würde ihm die Brust zerreißen. »Warum bist du so still?« Eigentlich hätte sie seinen Ton widerlich finden müssen. Zumindest hätte er das getan, wenn ihn einer, der den ganzen Abend mit Leichenbittermiene herumgesessen hat, indirekt beschuldigt hätte, an irgendeiner nicht entstandenen Komplikation schuld zu sein. Aber als sich Leslie zu ihm drehte, sah er nur Freundlichkeit in ihrer Miene. Verständnis statt Vorwürfe. Und plötzlich fiel es Roark wie Schuppen von den Augen: Sie war schön. Er hatte sie schon, als er sie das erste Mal sah, für hübsch gehalten. Eine Augenweide. Er und die Jungs, mit denen er an jenem Abend gebechert hatte, hatten sie aus einer Schar von Studentinnen herausgepickt. Gemeinsam hatten sie sie taxiert und anzügliche Bemerkungen über ihre körperlichen Vorzüge vom Stapel gelassen, wie das Männer nun mal so tun. Sie hatte gute Noten bekommen. Doch heute Abend wirkte sie in einer Art und Weise schön auf ihn, die nichts mit ihren hübschen Gesichtszügen oder ihren Proportionen zu tun hatte. Sie strahlte eine Schönheit aus, die unter dem makellosen Teint lag. Eine Schönheit, die weit seltener war als ihre strahlendblauen Augen. Diese Art Schönheit genoss keine besondere Wertschätzung. Nach den geltenden gesellschaftlichen Maßstäben war sie nicht viel wert. Sie war nicht schick und cool, sondern einfach und warm. Sie gab einem das Gefühl, trotz aller Fehler geliebt und akzeptiert zu werden. Trotzdem. Heute Abend war Leslie so wunderschön, wie man es sich von der Frau seines Lebens erhoffte.‹«
    Als Parker zu lesen aufhörte und kurz zu ihr aufsah, brachte Maris nur ein kurzes Nicken fertig und bedeutete ihm fortzufahren.
    »Leslie fragt ihn, was passiert ist. Was ihm so viel Bammel eingejagt hat. So ungefähr.« Parker ließ die Seite über die Armstütze seines Rollstuhls segeln und fand auf der nächsten Seite die Stelle, an der er weiterlesen wollte.
    »›Roark redete geschlagene zehn Minuten. Wie ein Sturzbach schossen die Wörter ohne Unterbrechung aus ihm heraus, als hätte sein Unterbewusstsein den ganzen Tag daran herumgekaut und sie sich in der Reihenfolge zurechtgelegt, in der sie sein Maß an Verzweiflung mit der größten Wirkung wiedergeben konnten. Doch allmählich wich seine Niedergeschlagenheit offener Empörung. Den ganzen Tag hatte er innerlich heftig mit sich gerungen. Nun sprach er jene Sätze laut aus, die seine Wut auf Todd rechtfertigten. »Scheiß auf seine Entschuldigung!« Er ballte die Hand zur Faust. »So leicht kann er den Schaden nicht wieder gutmachen, den er angerichtet hat.« Nachdem er mit der Tirade auf Todd geendet hatte, verwünschte er den arroganten Professor, diesen unnachgiebigen Mistkerl. Gleichzeitig äußerte er die

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