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Envy-[Neid]

Envy-[Neid]

Titel: Envy-[Neid] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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Und wie reagiert Leslie?«
    »Ach«, meinte er stirnrunzelnd, »wie sich herausstellt, ist diese Handarbeit ihr Abschiedsgeschenk. Sie lässt ihn sitzen.«
    »In dem Moment?«
    »Hier steht’s, schwarz auf weiß.«
    »Hmm. Trennt sie sich aus den im ersten Entwurf genannten Gründen?«
    »Tja.«
    »Dann hat sie Herz, nicht wahr? Und klug ist sie außerdem. Sie tut, was ihrer Ansicht nach für beide das beste ist, besonders für Roark. Auch wenn es ihr noch so weh tut. Sie denkt in erster Linie an ihn und seine Karriere.«
    »Vielleicht. Trotzdem, Maris, muss ich dir eines sagen: Wenn eine Frau so kurz nach dem Orgasmus einfach auf und davon geht, das haut wirklich rein.«
    »Vermutlich.«
    »Oh, jaa«, sagte er und nickte abgeklärt. »Da kannst du jeden fragen.«
    »Mir genügt dein Ehrenwort.«
    »Roark hält sie für ein herzloses Miststück. Auf ihr Mitleid pfeift er. Außerdem, zum Kuckuck, für wen hält sie sich eigentlich? Er ist stocksauer.« Maris wollte gerade protestieren, da bremste Parker sie mit erhobenem Zeigefinger. »Wenigstens am Anfang.« Er nahm die restlichen Seiten zur Hand. »Soll ich?«
    »Bitte.«
    »›Der Tag hatte lausig begonnen und einfach beschissen geendet. Er erwog kurz, sich zu betrinken, verwarf die Idee jedoch wieder. Die Enttäuschungen würden morgen noch nachwirken, und dann müsste er sich obendrein noch mit einem Kater herumschlagen. Außerdem hatte er keine Ausrede, sich zu betrinken. Dieses Recht stand einem Mann nur zu, wenn es etwas zu feiern gab – oder zu betrauern. Über ein Unglück zu lamentieren, das einem der Zufall – zum Beispiel Gottes Wille oder eine Laune des Schicksals – beschert hatte, war erlaubt. Aber mit Jammern über eigenes Verschulden verdiente sich ein Mann kein solches Privileg. Die Verantwortung für solche Schwierigkeiten konnte man nicht so leicht abschieben. Obwohl Roark seine Qualen liebend gern Leslie, Hadley oder Todd angelastet hätte, gestand er sich ein, zu einem guten Teil selbst daran schuld zu sein, wenn nicht sogar ganz und gar. Leslies kluge Einsicht übertraf die Anzahl ihrer Jahre und ihre Lebenserfahrung bei weitem. Außerdem war sie fast schon schmerzhaft ehrlich. Für eine gemeinsame Zukunft gingen ihre Wünsche in allzu unterschiedliche Richtungen, und ihren Träumen fehlte der Gleichklang. Schon jetzt gerieten ihre Ziele in Konflikt. In der Zukunft wären heftige Kollisionen unumgänglich. Käme es dann zur unvermeidlichen Trennung, blieben zwei verletzte und verbitterte Menschen zurück. Ihre kluge Entscheidung, sich ihren ursprünglichen Kleinstadt-Hoffnungen und dem Freund aus Kindertagen zuzuwenden, machte ihren Verlust nicht leichter. Trotzdem würde ihnen ein Ende der Beziehung, noch ehe sie richtig begonnen hatte, zukünftiges Leid ersparen. Wenigstens hatten sie sich getrennt, so lange sie nur schöne Erinnerungen teilten. Professor Hadley hatte sich mit Fug und Recht aufgeregt. Schließlich konnte er keine Dummköpfe unter seiner Ägide brauchen. Wahrscheinlich hatte ihn die Tatsache, dass Roarks Zimmergenosse ihn hereingelegt hatte, genauso geärgert wie sein Zuspätkommen. Als Professor verfügte er nur über begrenzte Zeit, und seine Instruktionen waren zu wertvoll, um sie an Narren zu verschwenden. Wer sich bei etwas derart wichtigem wie diesem Termin auf Todds Wort verließ, war ein ziemlicher Dummkopf. Auf Roark wartete nun die große Herausforderung: Er musste Hadley beweisen, dass er kein Tor war, obwohl alle Beweise gegen ihn sprachen. Aus dieser Erfahrung konnte er nur lernen, ja, das war sogar zwingend notwendig. Wenn nicht, wäre er tatsächlich so töricht und keiner Sekunde Mühe wert, wie Hadley glaubte. Dieses war der erste Tag der kalten Jahreszeit gewesen und außerdem der erste Tag im Leben des erwachsenen Roark Slade. Diesen Schritt hatte er ohne feierliche Zeremonie oder Sakrament getan. Den letzten Funken Unschuld, mit dem er möglicherweise am Morgen erwacht war, hatte er abgestreift. Nach dem heutigen Tag war Vertrauen nur noch ein Wort, ein fernes Ideal, das in seinem Leben nie wieder praktischen Einfluss haben sollte. Von heute an würde Skepsis alles vergiften, woran er glaubte. Dieses Wendepunkts wurde sich Roark erst Jahre später bewusst, als er Zeit hatte, in den Seiten seiner eigenen Geschichte zu blättern. Stunden, Tage, Monate, in denen er nach jenem endgültigen Augenblick suchte, an dem ihn sein Glücksstern verlassen hatte und sein Leben mit einem Fluch belegt worden war. Und

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