Envy-[Neid]
ihre Faust und schüttelte verdrießlich den Kopf. Die Wurzel dieser sinnlichen Gedanken war kein Geheimnis. Sie hatten sich in ihrem Kopf festgesetzt, während Parker dieses verdammte Kapitel über feuchte Küsse und Brustwarzen und die angenehmen Möglichkeiten vorlas, die Mann und Frau offen stehen, wenn sie bereit sind, sich darauf einzulassen.
Sie hätte wieder in ihr Cottage gehen und diese Stellen selbst lesen können, aber nun änderte sie ihre Meinung. Die Lektüre konnte warten, bis sie wieder in New York war, im Neonlicht, in vertrauter Umgebung, hinter ihrem eigenen Schreibtisch und einem Berg Arbeit verbarrikadiert. So etwas konnte man lesen, wenn sich der Autor dieser Zeilen nicht im Zimmer nebenan aufhielt und Tagträumen von ihr nachhing, wegen derer man ihn verhaften könnte.
Vor dem Verlassen des Wintergartens borgte sie sich aus Parkers Bibliothek einen Mackensie-Roone-Roman. Sie hatte das unbestimmte Gefühl, dass sie nicht so leicht einschlafen würde. Der Krimi würde sie angenehm ablenken. Deck Cayton konnte ihr Gesellschaft leisten.
Als Parker am nächsten Morgen in die Mühle rollte, scheuchte er einen Waschbären auf. »Wird schon fast hell, Kumpel. Beweg deinen Hintern.« Das Tier trippelte zwischen zerbrochenen Wandlatten ins Freie.
Er kam gern vor Sonnenaufgang zur Baumwollmühle, solange es noch einigermaßen kühl war, und vom Ozean eine leichte Brise hereinwehte. Gern beobachtete er, wie die ersten Lichtstrahlen einen Weg durch die Risse in den Wänden fanden. Er bildete sich ein, das Gebäude habe eine Seele und erwache bei Sonnenaufgang in der Hoffnung, der neue Tag werde ihm Kraft und Leben zurückgeben.
Diese Illusion hatte einen Grund: Er konnte sich mit ihr identifizieren.
Er wusste, was es heißt, wenn Menschen dich stilllegen, zusperren und dann beim Weggehen traurig die Köpfe schütteln und sagen, du würdest wohl keinem mehr je viel bedeuten.
Unzählige Male war er morgens so aufgewacht. Bevor seine Orientierung zurückkehrte, flackerte einen kurzen Moment lang die Erwartung an die Möglichkeiten des kommenden Tages in ihm auf. Doch dann rüttelte ihn der Schmerz vollends wach. Und mit diesem Bewusstsein kam die grausame Erkenntnis, dass auch dieser Tag, wie der gestern und vorgestern, nichts außer jener ständig gleichen Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit brächte.
Gott sei Dank hatte er sich mit Zähnen und Klauen aus diesem selbstzerstörerischen Miasma befreit.
Durch schiere Willenskraft hatte er seinen Tagen einen Sinn gegeben, hatte sich selbst ein Ziel gesetzt. Und daran hatte er sich geklammert, auch wenn es ihm körperlich mörderische Schmerzen bereitet und seine Hartnäckigkeit oft an den Rand der Kapitulation getrieben hatte. Jetzt trennten ihn nur noch Wochen von seinem endgültigen Ziel.
Ein Vogel segelte zum offenen Eingang herein und riss Parker aus seinen Tagträumen. Der braungefleckte Federball – Mike beobachtete Vögel und könnte den hier vermutlich aus hundert Metern identifizieren – hockte sich auf die Kante des Überbaus, legte den Federschopf schief und musterte Parker neugierig.
»Du wunderst dich, was ich hier mache. Wetten?«
Dabei war er es, der sich wunderte. Zum Teufel, wieso unterhielt er sich heute Morgen mit den Tieren? Aber nicht einmal das bereitete ihm übermäßig Kopfzerbrechen.
Früher einmal hatte er ein ganzes Bataillon Ratten wütend beschimpft, die in seiner Einbildung seine bewegungslosen Beine heraufkletterten, ihm über Lenden, Bauch und Brust krabbelten und mit ihren langen, scharfen Zähnen Hals und Gesicht attackierten. Daher war er nun nicht allzu sehr beunruhigt, dass er etwas so Harmlos-Reales ansprach wie einen ganz normalen Vogel.
In die Leere dieser Ruine kam er, um über seinen Plot nachzudenken und nach Schwachstellen zu suchen. Um zu prüfen, inwieweit er vorbereitet war, und um sich immer wieder zu fragen, was er möglicherweise übersehen haben könnte. Um schon im Voraus das süße Gefühl der Rache zu kosten. Auf dass er sie auch wirklich bis zum Ende durchziehen und nach vierzehn Jahren abschließen konnte.
Manchmal kam er einfach nur her, um Mike aus dem Weg zu gehen. Zwei rechthaberische Junggesellen in einem Haushalt bargen die Gefahr, dass ein rechthaberischer Junggeselle zu viel wurde. Wenn die Fetzen flogen, war stets Parker schuld. Im Vergleich zu ihm besaß Mike den Charakter und die Geduld eines Heiligen.
Ohne Mike wäre er verloren. Schon der Gedanke an den Tag, an dem er dazu
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