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Enwor 1 - Der wandernde Wald

Enwor 1 - Der wandernde Wald

Titel: Enwor 1 - Der wandernde Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Entkommen gibt.
    Jedenfalls nicht, wenn man dasitzt und auf ein Wunder wartet. Wir werden handeln, und wenn Went oder ganz Cearn daran zugrunde gehen sollte, dann geht es eben zugrunde. Ich will nicht mehr warten. Mein Kind ist gestorben, und ich will nicht, daß noch mehr Kinder für eine Idee sterben, die vielleicht überhaupt nicht existiert. Du selbst hast bewiesen, daß die Nonakesh nicht so unbesiegbar ist, wie es scheint. Wir werden uns ihr stellen, Skar, und wir werden diesen Kampf gewinnen. Vieleicht werde ich seinen Ausgang nicht mehr erleben, aber wenn ich sterbe, dann wenigstens in dem Wissen, etwas getan zu haben. Vielleicht hast du recht, und die Welt dort draußen ist die Hölle, und Cearn der Himmel. Aber ich ziehe es vor, in der Hölle frei zu sein statt gefangen im Paradies.«
    Er wußte, daß er jetzt antworten mußte, irgend etwas, ganz egal was, ihr widersprechen, sagen, daß sie sich täuschte, daß sie das, wofür sie zu kämpfen glaubte, zerstören würde.
    Aber er konnte es nicht.
    Weil er wußte, daß sie recht hatte.

De Pferde warteten am Westtor auf sie. Ein knappes Hundert Berittener hatte rechts und links des Pfades Aufstellung genommen und gab ihnen ein letztes, stummes Geleit. Die Sonne schien heißer als normal vom Himmel zu brennen, und als Skar nach Westen sah, glaubte er hinter dem Wald einen dünnen, safranbraunen Streifen zu erkennen, ein stummer Gruß der Nonakesh, die letzte Verbeugung vor dem Gegner, bevor der Kampf begann.
    Ein leiser, langsam anschwellender Gesang wehte aus Went zu ihnen heraus, als sie sich in die Sättel schwangen und nacheinander durch das Tor ritten, der gleiche Gesang, den er schon einmal gehört hatte, als er an der Beerdigungszeremonie teilnahm. Er fror plötzlich.
    Sie verließen Went, ritten eine Weile nach Süden und wandten sich dann, nachdem sie den Ring aus tödlichen Fallen, der die Stadt umgab, durchquert hatten, nach Westen, dem gleichen Weg folgend, den sie vor fünf Tagen schon einmal genommen hatten. Wie beim ersten Mal sprach auch diesmal keiner von ihnen ein Wort, wenn auch aus anderen Gründen. Einmal, etwas weniger als eine halbe Stunde, nachdem sie Went hinter sich gelassen hatten, zog ein schwarzer, dreieckiger Schatten hoch über ihnen am Himmel nach Westen, aber wenn das Tier die Gruppe überhaupt bemerkte, so schien sie ihm als Beute wohl zu groß. Sie erreichten unbehelligt das westliche Ende Cearns, durchquerten behutsam den vorgelagerten Streifen und standen schließlich auf dem Kamm der äußersten Düne.
    Heißer, trockener Wüstenwind schlug ihnen entgegen, und die endlosen Sanddünen vor ihnen schienen in der hitzeflimmernden Luft zu verschwimmen, so daß der Horizont nicht klar erkennbar, sondern nur ein ungewisses blaues Etwas in unendlicher Entfernung war. Skar zog die Kapuze seines Umhanges tiefer in die Stirn und überzeugte sich davon, daß seine Waffen griffbereit am Sattel hingen. Sie alle hatten sich in knöchellange, hochgeschlossene Mäntel von sandbrauner Farbe gehüllt, und selbst die Tiere waren mit Decken aus dem gleichen Material behängt worden, die sie gleichermaßen vor der Hitze wie vor einer Entdeckung aus der Luft schützen sollten. Skar suchte aus zusammengekniffenen Augen den Himmel ab. Er war leer, eine stahlblaue, gnadenlose Kuppel, aus deren Zenit das rote Auge der Sonne auf sie herabstarrte und die sie allein durch ihre Größe zu verspotten schien. Der Wind spielte raschelnd mit Sand, zauberte dünne, zerbrechliche Gebilde aus Staub und Illusion vor ihnen in die Luft und ließ sie die Hitze noch mehr spüren. Obwohl sie erst vor wenigen Minuten gerastet und ausgiebig getrunken hatten, fühlten sich Skars Lippen plötzlich trocken und spröde an. Er wußte, daß die Wüste ihn wiedererkannte. Er war ihr einmal entronnen, aber nun war er wieder da, nicht als Flüchtling diesmal, sondern als Herausforderer. Mit dem ersten Schritt, den er tat, würde er ihr den Fehdehandschuh ins Gesicht schleudern. Und sie würde die Herausforderung annehmen.
    »Los«, kommandierte Bernec.
    Sie ritten los, nicht hinter-, sondern nebeneinander diesmal, in einer weit auseinandergezogenen Kette, selbst für einen Hoger schwer zu entdecken und noch schwerer anzugreifen. Die sandbraunen Mäntel ließen sie fast mit dem Wüstenboden verschmelzen, und selbst Skar hatte nach einiger Zeit Mühe, die Reiter am jenseitigen Ende der Kette vor dem eintönigen Hintergrund der Wüste zu erkennen.
    Es wurde heißer, rascher, als

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