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Enwor 1 - Der wandernde Wald

Enwor 1 - Der wandernde Wald

Titel: Enwor 1 - Der wandernde Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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unsichtbaren, eisigen Hand über ihren Seelen lag, zu vertie fen. Skar keuchte. Sein eigener Atem brannte schmerzhaft in sei ner Kehle, und sein Herz hämmerte wütend und rasch. Aber es war nicht nur die Hitze.
    Die Khtaäm-Spuren mehrten sich, je weiter sie sich den Höhlen näherten, so daß sie ihre geordnete Formation schließlich aufgeben und langsamer reiten mußten, um ihre Tiere behutsam zwischen den tödlichen geraden Linien hindurchzulenken. Als die Dämmerung hereinbrach, erreichten sie die Höhlen.

Der Anblick war beinahe enttäuschend. Skar hatte nichts Bestimmtes erwartet, aber irgendwie hatte der Anblick der gewaltigen schwarzen Bestien die Vorstellung von etwas ebenso Gewaltigem und Finsterem in ihm ausgelöst. Die Höhle war nicht mehr als ein Loch im Boden: ein flacher, nach innen
hin
sanft abfallender Krater, als wäre der massive Fels eingebrochen und der Sand einfach nachgerutscht. Am Grunde des runden, senkrecht in die Tiefe führenden Schachtes lauerte Finsternis: Schwärze, die seine überreizten Nerven mit der Illusion von Bewegung zu füllen versuchten.
    Bernec blinzelte zum Himmel empor, schlug seine Kapuze zurück und schwang sich aus dem Sattel. »Beeilt euch«, sagte er. »Die Sonne geht bald unter. Wir haben nicht mehr viel Zeit.« Er öffnete die Satteltaschen seines Pferdes, nahm ein zusammengerolltes Seil hervor und band das eine Ende am Sattelknauf fest. Dann trat er zurück, holte aus und warf das Tau in den Schacht hinab, eine Handlung, die so völlig undramatisch und der Situation unangemessen schien, daß Skar beinahe aufgelacht hätte. Das Seil fiel lautlos in die Tiefe und schlug irgendwo unten. auf. Ein helles, metallisches Echo wehte aus dem Schacht empor. Bernec starrte einen Moment in das finstere runde Loch hinab, rüttelte 'dann prüfend am Seil und näherte sich, rückwärts gehend und die Hände um das Tau verkrampft, dem Schachtrand.
    »Bist du sicher, daß es klug ist, jetzt dort hinunterzugehen?« fragte Skar.
    »Und warum nicht?« entgegnete Bernec, ohne stehenzubleiben. »In einer halben Stunde ist es dunkel. Wenn wir dann noch hier sind, können wir uns genausogut gegenseitig die Kehlen durchschneiden. Die Hoger fangen an zu schwärmen, sobald die Sonne untergegangen ist.«
    »Wir könnten uns eingraben und warten, bis sie abgezogen sind«, schlug Skar vor. Bernec schüttelte den Kopf, schwang die Beine über den Rand der Höhle und stützte sich an der senkrechten Wand ab. Das Seil spannte sich, und für einen Moment hing er in bedrohlicher Schräglage frei in der Luft, ehe er wieder festen Halt gewann. »Wenn ich ums Leben komme«, sagte er, »übernimmst du das Kommando, Skar. Dann dein Freund und Coar. Sollten sie auch fallen, versuchen die anderen auf eigene Faust zurückzukommen. Und jagt die Pferde davon.«
    Skar sah schweigend zu, wie Bernec langsam in der Tiefe verschwand. Er kletterte rasch und mit sicheren, geübten Bewegungen und war bereits nach wenigen Augenblicken aus ihrem Sichtbereich verschwunden. Nur das straff gespannte Seil und das leise Poltern und Schaben, das aus dem Schacht empordrang, bewiesen noch, daß er überhaupt existierte. Vielleicht, dachte Skar, war dieses Loch gar nicht der Eingang zu einer Höhle, sondern der Schlund eines gigantischen schwarzen Etwas, der Eingang zu einem Reich des Nichts, in dem sie einfach aufhören würden zu existieren, sobald sie es betreten hatten.
    Das Seil spannte sich.
    »Ich bin unten!« drang Bernecs Stimme seltsam hohl und verzerrt zu ihnen hinauf. »I
hr
könnt nachkommen! Hier ist alles ruhig.«
    »Wenn er weiter so rumbrüllt«, murrte Del, »wird es die längste Zeit ruhig gewesen sein.«
    Skar lächelte flüchtig, griff nach dem Seil und schwang sich, Bernecs Beispiel folgend, rückwärts über den Schachtrand.
    ' Die Finsternis schien wie eine schwarze Woge über
ihm
zusammenzuschlagen, als er mit dem Abstieg begann. Die Wände des Schachtes bestanden nicht aus Fels, wie er erwartet hatte, sondern aus zusammengebackenem Sand und trockener, krumiger Erde, die unter seinen Füßen immer wieder nachgab und abbröckelte, so daß er eher am Seil hinunterrutschte, als daß er wirklich stieg. Ein unablässig rieselnder Strom von Sand und kleinen Steinen begleitete seinen Abstieg, und aus der Tiefe drangen helle, klackende Echos zu ihm hinauf. Die Höhle unter ihm mußte gewaltig sein.
    Der helle Kreis über seinem Kopf schmolz zu einem winzigen, grellorangenen Fleck zusammen, und die Wände

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